Zweiter grosser Protesttag gegen Rentenreform in Frankreich
Am zweiten grossen Protesttag gegen die geplante Rentenreform haben Streiks weite Teile des öffentlichen Lebens in Frankreich lahm gelegt.

Das Wichtigste in Kürze
- Gewerkschaften hoffen auf noch stärkere Mobilisierung.
Dabei blieb die Zahl der Streikenden am Dienstag in mehreren Branchen leicht unterhalb der Zahl am ersten Protesttag Mitte Januar. Bei der französischen Bahn SNCF legten etwa 37 Prozent der Beschäftigten die Arbeit nieder, zuvor waren es 46 Prozent gewesen.
Auch an den Schulen traten weniger Lehrkräfte in den Streik als zuvor. Trotz der geringeren Streikbeteiligung fielen zahlreiche Bahnen, Busse und Flüge aus. In vielen Schulen gab es keinen Unterricht. Studierende der Pariser Hochschule Sciences Po besetzten in der Nacht zu Dienstag das Schulgebäude. Die Beschäftigten des Energiekonzerns EDF verringerten aus Protest die Stromproduktion, was jedoch zunächst nicht zu Stromausfällen führte.
In den Raffinerien und Treibstoffdepots von TotalEnergies legte ein Grossteil der Beschäftigten die Arbeit nieder. Bereits am Vormittag kam es an mehreren Orten zu Demonstrationen. Insgesamt waren in mehr als 200 Orten Protestmärsche angemeldet.
Etwa 11.000 Sicherheitskräfte sollen Ausschreitungen verhindern, 4000 allein in Paris. Dort sammelte sich am frühen Nachmittag eine Menschenmenge am Place d'Italie. Das sozialistisch geführte Pariser Rathaus blieb aus «Solidarität mit der sozialen Bewegung» geschlossen.
«Wenn die Premierministerin die Botschaft (am ersten Streiktag) nicht gehört hat, dann werden wir sie jetzt noch lauter und zahlreicher vermitteln», sagte CGT- Gewerkschaftschef Philippe Martinez den Sendern BFM und RTL. Die Gewerkschaften fordern, auf die geplante Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre zu verzichten.
Präsident Emmanuel Macron hatte am Vorabend betont, dass die Reform nötig sei, «um das System zu retten». Die Rentenkasse weist derzeit ein Plus auf, soll nach Schätzungen von Experten aber bis 2030 in ein Defizit von 14 Milliarden Euro rutschen. Daher sei die Reform «unumgänglich», sagte Macron und verwies auf die übrigen EU-Länder, in denen das Renteneintrittsalter bereits deutlich höher liege.
Laut einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage sind Macrons Zustimmungswerte in Folge der Debatte um die Rentenreform um fünf Punkte gefallen, er kommt nun nur noch auf 36 Prozent. Fast zwei Drittel der Bevölkerung machte die Regierung für die Streiks und die Lähmung des öffentlichen Lebens verantwortlich, heisst es in der Umfrage des Instituts Odoxa.
Experten rechnen damit, dass die Protestbewegung sich noch ausweiten könnte. Beim ersten Reformversuch 2019 hatte Frankreich die längsten Streiks seit den Studentenprotesten 1968 erlebt. «Die Renten sind in der Vorstellung der Franzosen eine heilige Kuh. Sie sind ein Symbol für das gesamte Sozialsystem und können daher zum Katalysator der Wut werden», sagte der Sozial-Experte Raymond Soubie der Zeitung «Le Parisien».
Die Reform umfasst neben der Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre auch eine Erhöhung der Mindestrente auf 1200 Euro. Zudem soll die Beschäftigung von Senioren gefördert werden.
Am ersten Protesttag am 19. Januar waren mehr als eine Million Menschen auf die Strasse gegangen. Für Macron ist die Rentenreform eines der wichtigsten Vorhaben seiner zweiten und letzten Amtszeit.














