Inmitten des russischen Angriffskriegs hat die Ukraine am Samstagabend der von der Sowjetführung vor 90 Jahren verursachten Hungersnot Holodomor gedacht.
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Kaum noch Zeit füreinander: Präsident Selenskyj und seine Frau Olena gedenken der Holodomor-Opfer. - UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SERVICE/AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • EVP-Chef Weber fordert mehr Solidarität bei Unterbringung weiterer Flüchtlinge.

Auch die Regierungschefs von Belgien und Polen, Alexander De Croo und Mateusz Morawiecki, sowie Litauens Ministerpräsidentin Ingrida Simonyte reisten nach Kiew, um ihre Unterstützung zu zeigen. Belgien, Deutschland und Frankreich sagten weitere Millionenhilfen zu. Der EU-Abgeordnete Manfred Weber (CSU) forderte mehr Solidarität der einzelnen Staaten bei der Unterbringung weiterer Flüchtlinge.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte, sein Land lasse sich nicht «brechen». Die Ukrainer hätten «Schreckliches durchgemacht», sagte Selenskyj in einem Video auch unter Verweis auf die jüngsten Zerstörungen der ukrainischen Energieinfrastruktur durch die russischen Angriffe: «Einst wollten sie uns durch Hunger zerstören, nun durch Dunkelheit und Kälte.»

Der Begriff Holodomor (Tötung durch Hunger) erinnert an die Jahre 1932 und 1933, als der sowjetische Diktator Josef Stalin durch die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft eine grosse Hungersnot ausgelöst hatte. Allein in der Ukraine starben nach Schätzungen von Historikern bis zu zehn Millionen Menschen.

Morawiecki und Simonyte sicherten nach einem Treffen mit ihrem ukrainischen Kollegen Denys Schmyhal ihre weitere Unterstützung der Ukraine in dem seit neun Monaten anhaltenden Angriffskrieg zu. Belgiens Regierungschef De Croo versprach weitere 37,4 Millionen Euro, um der Ukraine über den Winter zu helfen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erinnerte in einer Videobotschaft ebenfalls an die Opfer des Holodomor. Hunger dürfe nie wieder als Waffe eingesetzt werden, sagte er anlässlich einer neuen Initiative «Getreide aus der Ukraine». Deshalb stelle die Bundesregierung in Abstimmung mit dem Welternährungsprogramm weitere 15 Millionen Euro für Getreidelieferungen aus der Ukraine bereit. Frankreich kündigte eine zusätzliche Unterstützung in Höhe von sechs Millionen Euro an.

An der Holodomor-Gedenkstätte im Zentrum Kiews versammelten sich orthodoxe Priester zu einer stillen Zeremonie für die Opfer der Hungersnot. Die Hungersnot sei künstlich herbeigeführt worden, sie sei ein Völkermord an den Ukrainern gewesen, sagte der Priester Oleksandr Schmurygin der Nachrichtenagentur AFP. Und nun «wiederholt sich die Geschichte durch den massiven und grundlosen Krieg Russlands».

Das irische Oberhaus erkannte am Donnerstag die grosse Hungersnot als «Völkermord an den Ukrainern» an. Der Bundestag könnte noch in der kommenden Woche eine entsprechende Resolution verabschieden. Der neue ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev, begrüsste den gemeinsam von den Koalitionsfraktionen und der Unionsfraktion getragenen Antrag. Es gehe um die Anerkennung der Wahrheit, «die man jahrzehntelang zu vertuschen versuchte», sagte Makeiev dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Russland weist den Vorwurf des Genozids an den Ukrainern zurück. Es weist darauf hin, dass die von Stalin provozierte Hungersnot auch für Millionen von Opfern unter Russen, Kasachen und anderen Völkern verantwortlich war.

Nach massiven russischen Angriffen auf die Energie-Infrastruktur müssen Millionen von Ukrainern derzeit ohne Strom und fliessendes Wasser auskommen – und das im Winter, in dem die Temperaturen derzeit häufig unter den Gefrierpunkt sinken. Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, rechnet deshalb damit, dass noch mehr Menschen zur Flucht gezwungen werden könnten.

Der CSU-Politiker forderte deshalb in der «Bild am Sonntag» mehr Solidarität der EU-Mitglieder bei der Unterbringung der Flüchtlinge. In dem Fall müsse die beispiellose Herausforderung «von allen EU-Staaten solidarisch getragen» werden.

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson bezeichnete die Solidarität unter den EU-Staaten indes als «intakt». Länder, die noch Kapazitäten hätten, steigerten «ganz klar ihre Bemühungen, um Mitgliedstaaten zu helfen, die an der Kapazitätsgrenze» seien, sagte sie der «BamS». Seit Kriegsbeginn wurden europaweit bereits mehr als 7,6 Millionen ukrainische Flüchtlinge registriert. Rund eine Million von ihnen kam nach Deutschland.

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