Union und SPD streben Beilegung des Dauerstreits um Wahlrecht an
In den festgefahrenen Streit um die Reform des Wahlrechts kommt kurz vor der Sommerpause Bewegung: CDU und CSU zeigten sich am Mittwoch offen dafür, die Zahl der Wahlkreise bereits für die Bundestagswahl 2021 zu reduzieren - und damit zu verhindern, dass der nächste Bundestag noch grösser wird.

Das Wichtigste in Kürze
- CDU und CSU planen schnelle Lösung bereits für Wahl 2021.
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) strebt eine Einigung in der Koalition noch für diese Woche an. Sein SPD-Kollege Rolf Mützenich nannte die Überlegungen der Union «interessant».
Brinkhaus wollte der Unionsfraktion am Dienstag drei Vorschläge zur Diskussion vorlegen. Die meisten Chancen wurden dabei einem Vorschlag eingeräumt, demzufolge die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 280 verringert werden soll; zudem solle es für sieben Übergangmandate keine Ausgleichsmandate mehr geben.
Brinkhaus und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt halten es nach eigenen Worten für möglich, dass diese Reform bereits für die Bundestagswahl 2021 umgesetzt werden kann. Dafür müssten die Wahlkreise neu zugeschnitten werden - laut Dobrindt wäre dies wegen der knappen Zeit «sehr ambitioniert», aber machbar. Der Bundestag müsste spätestens im September eine solche Reform verabschieden.
Die SPD begrüsste die neuen Vorschläge aus den Unionsparteien. Einen Neuzuschnitt der Wahlkreise noch vor der Wahl 2021 schloss Fraktionschef Mützenich aber aus: Dies sei « jetzt nicht mehr möglich». Aus der Union seien grundsätzlich «interessante Vorschläge» zu hören gewesen, sagte Mützenich. Jedoch liege bisher kein «geeinigtes Modell» vor.
Die SPD stehe «jede Stunde, jeden Tag» zur Verfügung zu Gesprächen mit der Union. Auch die Unionsseite signalisierte Gesprächsbereitschaft. Brinkhaus kündigte an, sich in der Fraktionssitzung am Dienstag ein «Meinungsbild» der Abgeordneten einzuholen und sich dann mit Mützenich in Kontakt zu setzen.
FDP, Grüne und Linke wollen am Freitag dieser Woche ihren seit Monaten vorliegenden Gesetzentwurf zur Wahlrechtsreform im Bundestag abstimmen lassen. FDP-Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann rief am Dienstag dazu auf, bei der Abstimmung die Fraktionsdisziplin für die Abgeordneten aufzuheben.
Sollten sich die Koalitionsparteien erst für die Bundestagswahl 2025 auf eine Reduzierung der Zahl von Wahlkreisen verständigen können, könnte für 2021 eine Übergangslösung getroffen werden. Hier liegen die Positionen aber auseinander. Vorschläge der SPD-Fraktion und von Brinkhaus beinhalten die Möglichkeit, dass bei der Wahl 2021 eine begrenze Anzahl von Direktmandaten nicht zugeteilt wird. Die CSU lehnt dies als verfassungswidrig ab.
Der Dauerstreit um die Reform sorgte in der Koalition für einen zum Teil gereizten Tonfall. CSU-Landesgruppenchef Dobrindt reagierte scharf auf die Drohung des SPD-Politikers Thomas Oppermann, für den Reformantrag der Opposition zu stimmen, wenn sich die Koalition nicht auf eine gemeinsame Vorlage verständigt. Oppermann zähle zu den «besonderen Klugscheissern» in dieser Frage, sagte Dobrindt. Als früherer Fraktionschef der SPD habe es Oppermann in der Hand gehabt, schon vor Jahren eine Wahlrechtsreform mit der Union umzusetzen.
Hintergrund der Reformbemühungen ist, dass der Bundestag aktuell 709 Mitglieder hat und damit viel mehr als die Regelgrösse von 598 Abgeordneten. Experten rechnen mit einer weiteren deutlichen Vergrösserung nach der nächsten Wahl, sollte das Wahlrecht nicht geändert werden. Grund sind die vielen Überhang- und Ausgleichsmandate. Brinkhaus sagte dazu am Dienstag, ihm wäre es «ein Graus, wenn wir hier im Oktober 2021 mit 850 Leuten sitzen».