Sicherheitskonferenz offenbart Gräben zwischen Europa und den USA
Entfremdung zwischen den USA und Europa, zunehmende Rivalität zwischen den Grossmächten und gefährliche Konflikte in Nahost: Die Münchner Sicherheitskonferenz hat die Differenzen deutlich offenbart - besonders zwischen den transatlantischen Partnern.

Das Wichtigste in Kürze
- Bündnispartner bei zahlreichen wichtigen politischen Fragen über Kreuz.
Zwar legten die Verbündeten Bekenntnisse zur Nato ab. Doch zeigten sich Meinungsverschiedenheiten in beinahe allen wichtigen politischen Fragen - von der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bis hin zur Handels- und Energiepolitik.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach die Differenzen mit den USA in ihrer Rede offen an. Sie erwähnte die drohenden Sonderzölle auf Importautos, den einseitigen Rückzug der USA aus Syrien und die Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran. Die Kanzlerin warnte vor einem Zerfall der multilateralen Staatenordnung: Diese müsse reformiert werden, «aber ich glaube, wir dürfen sie nicht einfach zerschlagen». Die Nato nannte sie einen «Stabilitätsanker».
Aus deutscher Sicht wurde die transatlantische Entfremdung besonders deutlich beim Streit um das deutsch-russische Pipeline-Projekt Nord Stream 2. US-Vizepräsident Mike Pence richtete eine offene Warnung an Deutschland: «Wir können die Verteidigung des Westens nicht garantieren, wenn unsere Bündnispartner sich vom Osten abhängig machen.»
Weiter sagte Pence: «Wir danken allen unseren europäischen Partnern, die sich klar gegen Nord Stream 2 positioniert haben, und rufen die anderen auf, dies ebenfalls zu tun» - eine direkte Spitze gegen Deutschland.
Merkel verteidigte hingegen das deutsch-russische Projekt: «Es ist richtig und wichtig, dass Europa in gewisser Weise die Hoheit über seine Gasversorgung und die Diversität seiner Gasversorgung behält.» Sie halte es für falsch, «bewusst Russland auszuschliessen». US-Präsident Donald Trump kritisiert seit Monaten den Ausbau der Gaslieferungen aus Russland nach Deutschland und droht mit Sanktionen.
Erheblichen Dissens gab es auch in der Syrien- und Iran-Politik. Zwar verfolgten die USA und Europa in der Region das gleiche Ziel - nämlich «die schädlichen Wirkungen des Iran einzudämmen», sagte Merkel. Der angekündigte einseitige US-Abzug aus Syrien drohe jedoch genau das Gegenteil zu erreichen. Verwundert äusserte sich auch Frankreichs Aussenminister Jean-Yves-Le Drian: Es bleibe ein «Geheimnis», weshalb Washington in Syrien ein Machtvakuum zulassen wolle, das der Iran nutzen könnte.
Trump bekräftigte am Samstagabend im Kurzmitteilungsdienst Twitter seine Entscheidung zum US-Abzug aus Syrien. «Wir ziehen uns nach einem hundertprozentigen Sieg über das Kalifat zurück», erklärte er. Der US-Sondergesandte für den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) und Syrien, James Jeffrey, sagte in München, das Ziel des US-Einsatzes zur Unterstützung der Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) in Nordost-Syrien sei «grösstenteils erreicht».
Auf Widerspruch stiess in München auch Pence' Kritik an den Bemühungen Deutschlands, Frankreichs und Grossbritanniens zur Rettung des Atomabkommens. Der Vizepräsident hatte die Europäer aufgefordert, das Abkommen aufzugeben. Merkel liess jedoch keinen Zweifel daran, dass es aus ihrer Sicht hilfreicher sei, dass «wir den kleinen Anker, den wir noch haben, halten».
Irans Aussenminister Mohammed Dschawad Sarif forderte die Europäer am Sonntag auf, mehr für den Erhalt des Atomabkommens zu tun. «Europa muss sich trauen, ein nasses Fell zu bekommen, wenn es gegen den Strom des Unilateralismus der USA schwimmen will», sagte er.
Streit gab es auch weiter bei der Nato-Lastenverteilung. Pence wiederholte die US-Forderung nach höheren Verteidigungsausgaben der Nato-Partner. Zum Ärger Trumps liegen viele europäische Staaten trotz verstärkter Bemühungen, darunter auch Deutschlands, weit unter dieser Zielmarke.
Eine Brücke über den Atlantik schlug dagegen der frühere US-Vizepräsident Joe Biden, der die Verbündeten der USA bat, sein Land trotz der Schwierigkeiten in den transatlantischen Beziehungen nicht abzuschreiben. «Ich verspreche Ihnen, das wird vorbeigehen», sagte Biden mit Blick auf die derzeitige US-Regierung - unter lautem Beifall.