Russen locken junge Europäer auf Moskau-Reise

Nicola Aerschmann
Nicola Aerschmann

Russland,

Junge Personen aus dem Westen sollen auf einer fünftägigen Reise nach Moskau Einblick in die russische Kultur erhalten. Ein Experte sieht das Projekt kritisch.

Moskau Tourismus
Touristen auf dem Roten Platz in Moskau. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die russische Botschaft wirbt für eine fünftägige Reise nach Moskau für junge Leute.
  • Das Projekt «Russland entdecken» soll helfen, Stereotypen abzubauen.
  • Osteuropa-Experte Nicolas Hayoz sieht die Idee jedoch kritisch.

«Russland entdecken»: Das Programm mit diesem Namen soll jungen Menschen aus dem Westen eine Reise nach Moskau ermöglichen. Kürzlich machte die Botschaft der Russischen Föderation in Deutschland auf X Werbung dafür.

Geboten werden unter anderem eine Stadtführung, Museumsbesuche oder kulinarische Erlebnisse. Unterbringung, Verpflegung und Transfers sind organisiert – und das kostenlos.

Die offiziellen Ziele des Projekts gemäss der Botschaft: Ein «offener Dialog», «neue Freundschaften» und «berufliche Netzwerke».

Insgesamt soll Russland «jenseits von Klischees» entdeckt werden. Das Programm richtet sich an Personen im Alter von 18 bis 35 Jahren. Interessierte müssen eine Art Bewerbungsprozess durchlaufen.

Russische Botschaft: Ausländer sollen sich eigenes Bild machen

Auch die russische Botschaft in der Schweiz preist das Angebot auf ihrer Seite und ihren Social-Media-Kanälen an, bestätigt sie auf Anfrage von Nau.ch. Angaben zur Anzahl der bisherigen Teilnehmenden kann sie aber nicht machen.

Russland Schweiz
Die russische Botschaft in Bern. - keystone

Die Botschaft betont: «Wir gehen davon aus, dass Reisen nach Russland aktuell bleiben und aufrechterhalten werden sollten.»

Dies, damit sich ausländische Gäste ein realistisches Bild von Russland machen können. «Unabhängig von einseitiger, negativer Berichterstattung westlicher Medien», wie es weiter heisst.

Es werde im Westen versucht, Russland als Feindbild darzustellen, findet die Botschaft. «Das Programm ‹Russland entdecken› dient gerade der Widerlegung solcher Stereotypen.»

Entsprechend lade man alle Interessierten ein, am Projekt teilzunehmen. Damit sie sich ein «eigenes, unvoreingenommenes Bild machen können».

Parallelen zur Sowjetunion?

Osteuropa-Experte Nicolas Hayoz von der Universität Freiburg ist jedoch skeptisch, was das Projekt angeht. Gegenüber Nau.ch sagt er zunächst, er sehe gewisse Parallelen zur Sowjetzeit.

Nicolas Hayoz
Ob die Kehrtwende tatsächlich ernst zu nehmen ist, sei schwer zu sagen, sagt Osteuropa-Experte Nicolas Hayoz. - Universität Fribourg

Hayoz erklärt: «Es ging schon damals darum, Netzwerke von ‹internationaler Freundschaft› zu bilden, junge Menschen aus West und Ost zusammenzubringen. Immer mit der Idee, den Sozialismus zu fördern.»

Damals wollte man zeigen, dass der Kommunismus die fortschrittlichere Gesellschaft sei als die westliche. «Auch heute, interessanterweise mitten im Krieg Russlands gegen die Ukraine, gibt es wieder Initiativen, die jungen Menschen aus Europa zeigen soll, dass es ein fortschrittliches Russland neben dem Westen gibt.»

Experte: Angebot der Moskau-Reise ist zynisch

Organisiert wird das Programm von der Organisation «Eurasia». Diese promote vor allem Bildungs- und Kulturaustausch im postsowjetischen Raum, so Hayoz.

Es handelt sich gemäss dem Experten um eine Art «Soft-Power-Initiative». China mache dies beispielsweise bereits seit längerer Zeit.

Hayoz sieht im Projekt auch einen gewissen Zynismus: «Während die russische Armee weiterhin ukrainische Städte bombardiert, Menschen tötet, soll gleichzeitig das Bild eines anderen, freundlichen Russlands gefördert werden.»

Würdest du gerne einmal nach Russland reisen?

Die Formulierungen «Russland entdecken» oder «jenseits von Klischees» seien angesichts des Kriegs ein «hohler Witz», so Hayoz. Es handelt sich beim Reiseangebot laut dem Experten um «PR- und Propagandaunternehmen».

Auch die konkrete Umsetzung sei fraglich, führt Hayoz aus. «Wahrscheinlich werden auf der russischen Seite englischsprachige junge Menschen engagiert, die Russland ‹erklären› sollen. Es ist nicht anzunehmen, dass die Teilnehmer des Programms Russisch sprechen werden.»

Erleichterte Aufenthaltsbewilligung für «enttäuschte» Westler

Dass Russland Personen aus dem Westen lockt, ist grundsätzlich nicht neu. Seit gut einem Jahr besteht beispielsweise die Möglichkeit auf eine schnellere Aufenthaltsbewilligung in Russland. Dies, wenn man als Westler die traditionellen russischen Werte eher teilt als die Werte des Westens.

Hayoz erwartet deswegen jedoch keine grosse Emigration nach Russland. «Mit Ausnahme von ein paar wenigen vom Westen ‹Enttäuschten›», wie es der Experte formuliert.

Wladimir Putin
Der Kreml um Präsident Wladimir Putin versucht immer wieder, Personen aus dem Westen anzusprechen. - keystone

Alles in allem seien die Bemühungen des Kremls wenig erfolgversprechend. «Es sind PR-Kampagnen – Versuche, erfolgreiche Länder wie die USA oder die europäischen Länder nachzuahmen.»

Diese würden es nämlich immer wieder schaffen, Menschen mit einer Perspektive anzuziehen. «Das vermag Russland nicht zu leisten. Im Gegenteil, die besten Wissenschaftler Russlands wandern aus», so Hayoz.

Auch im Schweizer Sport löste das Thema Reisen nach Russland kürzlich eine Debatte aus. Der FC Sion trug im Sommer ein Testspiel in Sankt Petersburg aus. Im September soll es nun zu einem weiteren Duell zwischen den Wallisern und Zenit kommen.

Kommentare

User #3990 (nicht angemeldet)

Gastfreundschaft im Ausland hat mir den Spiegel vorgehalten und meine Sicht auf die Welt verändert.

User #3990 (nicht angemeldet)

Alleine die Museen wären schon eine Reise wert. Genau wie in Wien, Paris. ect. Im Ausland habe ich immer schnell den Kontakt zu den Einheimischen und so wunderbare Begegnungen und Erlebnisse. Mich interessiert das wahre Leben hinter den Fassaden. Was Gastfreundschaft anbelangt können wir Schweizer noch viel lernen. Wieso immer dieser Hass durch die Presse geschürt wird? Übrigens, die normale Bevölkerung will überall in Frieden leben wie wir auch.

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