Rechtspopulistische Einstellungen setzen sich in Mitte der Gesellschaft fest

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Deutschland,

Rechtsextreme und menschenfeindliche Einstellungen verfestigen sich in Deutschland - nicht nur an den Rändern, sondern in der Mitte der Gesellschaft.

Rechtsextreme demonstrieren in Köthen
Rechtsextreme demonstrieren in Köthen - dpa/AFP/Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • Studie: Jeder Zweite vertritt abwertende Ansichten über Asylbewerber.

«Sie sind in der Mitte normaler geworden», heisst es in einer Studie, welche die Friedrich-Ebert-Stiftung am Donnerstag in Berlin vorstellte. Abwertende Meinungen etwa über Asylbewerber und andere als «fremd» wahrgenommene Menschen seien weit verbreitet - ebenso der Glaube an Verschwörungstheorien und das Misstrauen in die Politik.

«Vordergründig findet sich eine hohe Zustimmung zur Demokratie, die aber zugleich von antidemokratischen und antipluralistischen Überzeugungen begleitet wird», resümieren die Studienautoren. «Die Mitte verliert ihren festen Boden und ihre demokratische Orientierung.»

Sichtbar werde dieser Umstand etwa in der wachsenden Ablehnung von Asylbewerbern: Jeder zweite Befragte vertrete inzwischen negative Ansichten über diese Gruppe. Dieser Wert sei auf einen Höchstwert gestiegen, obwohl die Zahl der Asylsuchenden rückläufig ist.

Die Wissenschaftler der Universität Bielefeld untersuchen alle zwei Jahre rechtsextreme Einstellungen und «gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit» in Deutschland. Ein wichtiger Gradmesser ist dabei für sie die Abwertung von «Fremden». Im Osten Deutschlands registrierten sie hier durchweg höhere Werte als im Westen.

So verträten im Osten 23 Prozent generell fremdenfeindliche Einstellungen, im Westen seien es 18 Prozent. Abwertenden Äusserungen über Asylbewerber stimmten im Osten 63 Prozent zu, im Westen 51 Prozent. Negative Einstellungen gegenüber Muslimen seien im Osten bei 26 Prozent und im Westen bei 19 Prozent anzutreffen.

Die Studienautoren betonen, dass rechtspopulistische Einstellungen über die Bevölkerung hinweg seit 2014 «anders als vielleicht erwartet» nicht zugenommen hätten. Sie seien «stabil» - dies bedeute allerdings auch, sie seien in der Mitte normaler geworden.

Die Studienautoren weisen darauf hin, dass ihre Befunde durchaus widersprüchliche Einstellungen zeigen. «Ein Teil der Bevölkerung wird den eigenen Werten nicht gerecht», erklärte Wilhelm Berghan von der Universität Bielefeld. «Viele Befragte stimmen für eine starke Demokratie und Vielfalt an Meinungen, andererseits stimmen sie aber auch rechtspopulistischen Meinungen zu, die nicht von Gleichwertigkeit und Vielfalt ausgehen.»

In der Umfrage gaben mehr als 80 Prozent an, dass sie es gut fänden, wenn Menschen sich gegen die Hetze gegen Minderheiten einsetzten. Etwa 60 Prozent finden, der Rechtspopulismus bedrohe die Demokratie. In einigen Bereichen nahmen Vorbehalte im Vergleich zu früheren Erhebungen ab - etwa gegenüber behinderten, homosexuellen und wohnungslosen Menschen.

Zugleich stellten die Wissenschaftler fest, dass Verschwörungsmythen in der Bevölkerung generell grossen Zuspruch fänden. 45 Prozent meinten, geheime Organisationen würden politische Entscheidungen beeinflussen. Nahezu ein Viertel mutmasste, Medien und Politik steckten unter einer Decke.

Mit Blick auf die politischen Orientierungen der Befragten bestätigte sich für die Autoren ein Trend: Wie in den Vorjahren neigten potenzielle Wähler der AfD auffallend häufig zu menschenfeindlichen Einstellungen.

Der Studie zufolge äusserten sich nur zwei bis drei Prozent der Befragten klar rechtsextrem - im Osten nicht mehr als im Westen. Deutlich mehr Zuspruch fänden aber so genannte neurechte Einstellungen. «Der offene, harte Rechtsextremismus wird durch moderne Formen abgelöst, darin steckt aber das alte völkische Denken», erklärte Studien-Mitautorin Beate Küpper.

Politiker in Berlin zeigten sich alarmiert. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter wertete die Befunde als «klare Aufforderung» zur Stärkung von Demokratie und Prävention. Linken-Chef Bernd Riexinger erklärte, das Fischen der Parteien nach Wählern am rechten Rand führe nur dazu, dass rechte Positionen «in der Mitte der Gesellschaft Akzeptanz finden».

Für die Untersuchung hat das Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld (IKG) 1890 repräsentativ ausgewählte Deutsche befragt.

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