Das Vorgehen der Polizei bei einer Razzia in einer Flüchtlingsunterkunft im baden-württembergischen Ellwangen vor fast drei Jahren war teilweise rechtswidrig.
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Justitia - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Verwaltungsgericht Stuttgart gibt Klage eines früheren Bewohners teilweise statt.

in einem Rechtsstreit zwischen einem früheren Bewohner der Unterkunft und dem Land Baden-Württemberg entschied das Verwaltungsgericht Stuttgart am Freitag, die Beamten hätten sich gegenüber dem Kläger unverhältnismässig verhalten. (Az.: 1 K 9602/18)

Bei dem Einsatz hatten Polizisten im Mai 2018 Zimmer durchsucht und mutmassliche Unruhestifter abgeführt, nachdem einige Tage zuvor eine Abschiebung gescheitert war. Dutzende Bewohner der Unterkunft hatten sich Ende April mit dem Mann solidarisiert, der abgeschoben werden sollte. Sie umstellten einen Streifenwagen und forderten so lange seine Freilassung, bis die Beamten ihn gehen liessen.

Am frühen Morgens des 3. Mai begannen dann Hunderte Polizisten mit der Razzia in der Erstaufnahmeeinrichtung. Mehrere Menschen wurden dabei verletzt, einige Bewohner wegen Widerstands gegen die Polizei in Gewahrsam genommen.

Der Kläger Alassa M., der kurze Zeit später abgeschoben wurde, reichte noch im selben Jahr Klage ein. Zuvor hatte er schon erfolgreich gegen eine Berichterstattung geklagt, die ihn als zentralen Unruhestifter darstellte. Nun entschied das Stuttgarter Verwaltungsgericht über die Razzia: Die Personenfeststellung, das Betreten und Durchsuchen des Zimmers, das Durchsuchen und Festsetzen des Klägers und seine Fesselung mit Kabelbindern seien rechtswidrig gewesen, urteilten die Richter.

Zwar habe es sich bei der Unterkunft zum Zeitpunkt der Razzia um einen «gefährlichen Ort» im Sinn des Polizeirechts gehandelt. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers sei aber nicht angemessen gewesen, zumal die Razzia schon um kurz nach fünf Uhr morgens stattgefunden habe.

Auch sei es rechtswidrig gewesen, dass Polizisten Alassa M. sechs Wochen später bei seiner Abschiebung den Geldbeutel wegnahmen. Ansonsten hätten sie sich bei der Abschiebung aber korrekt verhalten, weswegen die Klage teilweise abgewiesen wurde. Gegen das Urteil kann noch Berufung eingelegt werden.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die Klage gegen die Razzia unterstützt hatte, reagierte erfreut auf das Urteil. «Das Verwaltungsgericht hat klargestellt, dass Geflüchteten-Unterkünfte keine grundrechtsfreien Räume sind», teilte Sarah Lincoln, Verfahrenskoordinatorin bei der GFF, mit. Die Polizei dürfe nicht «nach Lust und Laune» Schlafzimmer stürmen.

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