Neuwahlen in Spanien nach Ablehnung von Haushalt der Regierung wahrscheinlich
Spanien steht wahrscheinlich vor Neuwahlen: Bei der Abstimmung im Parlament über den Haushaltsentwurf der Regierung bescherten die konservative Opposition und katalanische Regionalparteien dem erst seit Juni amtierenden Ministerpräsidenten Pedro Sánchez am Mittwoch eine Niederlage.

Das Wichtigste in Kürze
- Ministerpräsident Sánchez will Entscheidung am Freitag verkünden.
Er könnte nun den Weg für Neuwahlen freimachen und will sich am Freitag dazu äussern. Als möglicher Wahltermin ist unter anderem der 28. April im Gespräch, wenn in Spanien Kommunal- und Regionalwahlen anstehen.
Bei der Abstimmung votierten 191 von 350 Abgeordneten für Änderungsanträge zum Haushaltsentwurf. Über den Etat selbst wurde daraufhin gar nicht mehr abgestimmt. Sánchez verliess das Parlament wenige Minuten nach der Niederlage kommentarlos. Nach Angaben aus Regierungskreisen will er am Freitag nach der Kabinettssitzung bekanntgeben, ob es vorgezogene Neuwahlen geben wird.
Mit nur 84 Abgeordneten hat Sánchez' sozialdemokratisch ausgerichtete Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) im Parlament keine eigene Mehrheit. Im Juni hatte er mit den Stimmen der Linkspartei Podemos sowie katalanischer und baskischer Angeordneter die konservative Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy gestürzt. Die Katalanen unterstützten seine Wahl zum Ministerpräsidenten, weil er einen Dialog zwischen der Zentralregierung in Madrid und den Unabhängigkeitsbefürwortern in Barcelona versprach.
Dieser Dialog wurde allerdings vergangene Woche im Streit unterbrochen, die Katalanen drohten seitdem mit der Ablehnung des Haushaltsentwurfs. Im Parlament brachten sie daher genau wie die konservative Volkspartei (PP) und die Mitte-rechts-Partei Ciudadanos Änderungsanträge ein, um den Haushaltsentwurf zu blockieren.
Theoretisch könnte die Regierung nun einen überarbeiteten Haushaltsentwurf vorlegen. Angesichts der geringen Unterstützung im Parlament rechnen Beobachter jedoch damit, dass der Regierungschef Neuwahlen ausrufen wird. «Rechtlich ist er nicht verpflichtet, das zu tun», erklärte der Politikexperte Antonio Barroso. Die Frage nach Neuwahlen stelle sich eher aus politischen Gründen.
Eigentlich hatte Sánchez sich zum Ziel gesetzt, bis zum Ende der Legislaturperiode 2020 zu regieren. Zuletzt hatte er aber zunehmend Wahlkampftöne angeschlagen. «Nach sieben Jahren sozialer Ungerechtigkeit werden die rechtsgerichteten Kräfte und die Unabhängigkeitsbewegung gegen einen sozialen Haushalt stimmen», erklärte er am Dienstag auf Twitter.
Seine Haushaltsministerin María Jesús Montero warnte im Parlament vor einer «schwierigen Phase» für progressive Kräfte angesichts «dieser neoliberalen und rechtsextremen Welle, die fortschrittliche Gesellschaften durchtränkt».
Zahlreiche Meinungsumfragen wie am Mittwoch in der Onlinezeitung «eldiario.es» deuten auf eine rechtsgerichtete Mehrheit in einem neugewählten Parlament hin, die aus der konservativen Partido Popular (PP), den Liberalen von Ciudadanos und der rechtsextremen Partei Vox bestehen würde. Letztere war im Dezember bei der andalusischen Parlamentswahl in das Regionalparlament eingezogen - als erste ultrarechte Partei seit dem Tod des spanischen Diktators Francisco Franco im Jahr 1975.
Die spanischen Konservativen werfen der sozialistischen Regierung «Hochverrat» wegen ihrer Verhandlungen mit den katalanischen Unabhängigkeitsbefürwortern vor. Am Sonntag hatten zehntausende Menschen - angeführt von einem Bündnis aus PP und Vox - in Madrid gegen die linksgerichtete Regierung von Sánchez protestiert und vor einer Abspaltung Kataloniens gewarnt.
Spanien ist in der Katalonienfrage tief gespalten: Der Streit um Kataloniens Unabhängigkeitsbestrebungen war im Oktober 2017 eskaliert, als der damalige Regionalpräsident Carlos Puigdemont einen von der spanischen Justiz als illegal eingestuften Volksentscheid organisierte und danach die Loslösung von Spanien erklärte. Die damals konservative Zentralregierung stellte die Region daraufhin unter Zwangsverwaltung und liess mehrere Unabhängigkeitsbefürworter inhaftieren. Am Dienstag begann vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid der Prozess gegen zwölf Anführer der Unabhängigkeitsbewegung, denen langjährige Haftstrafen drohen.