In Kolumbien ist am Sonntag eine Präsidentschaftswahl abgehalten worden, die für das südamerikanische Land eine historische Zäsur bedeuten könnte.
Wahlplakat von Petro in Cali
Wahlplakat von Petro in Cali - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ex-Guerillero Petro will bei Wahlsieg umfassende Reformen umsetzen.

Klarer Favorit bei dem Urnengang war der Ex-Guerillero Gustavo Petro, bei seinem Sieg bekäme Kolumbien erstmals einen linksgerichteten Staatschef. Die knapp 39 Wahlberechtigten konnten bis 16.00 Uhr (Ortszeit, 23.00 Uhr MESZ) ihre Stimme abgeben. Üblicherweise liegt die Wahlbeteiligung in Kolumbien bei gerade einmal 50 Prozent.

Der scheidende Staatschef Iván Duque, der nicht noch einmal antreten durfte, eröffnete die Wahl mit der Abgabe seiner Stimme in einem Wahllokal in der Nähe des Präsidialamtes in Bogotá. «Ich rufe alle Kolumbianer auf, mit Enthusiasmus und Freude zu wählen - und ohne Hass, ohne Vorurteil und ohne Voreingenommenheit», sagte der konservative Noch-Amtsinhaber.

Sein wahrscheinlicher Nachfolger wird Umfragen zufolge der linksgerichtete 62-jährige Senator Gustavo Petro. Der einstige «Comandante Aureliano» und spätere Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá hat einen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Reformkurs angekündigt. Dazu gehören Steuern für Vermögende, ein Notprogramm gegen den Hunger sowie die Abkehr von Öl und Gas und stattdessen die Förderung erneuerbarer Energien.

Petros Gegner warnen vor einer autoritären Linksregierung wie im benachbarten Venezuela. In Kolumbien hat sich die Macht bislang stets in den Händen mehr oder minder konservativer Eliten konzentriert.

Die Entscheidung über den Staatschef des 51-Millionen-Einwohner-Landes dürfte aber voraussichtlich nicht in der ersten Runde fallen. Umfragen sehen Petro, der als junger Mann der Guerillagruppe M-19 angehörte, zwar mit etwa 40 Prozent klar vorn - für einen Sieg im ersten Durchgang benötigte er aber die absolute Mehrheit der Stimmen.

Petros stärkster Rivale, der rechtsgerichtete Ex-Bürgermeister Federico «Fico» Gutiérrez, lag in den Umfragen bei 27 Prozent. Er präsentierte sich als Verfechter einer harten Linie gegen die Kriminalität und vor allem den Drogenhandel und verwies dabei auf seine Politik in der vormaligen Drogenmetropole Medellín.

Chancen auf einen Einzug in die Stichwahl am 19. Juni wurden auch dem unabhängigen Unternehmer Rodolfo Hernández eingeräumt, der zuletzt zulegen konnte und in den Umfragen bei etwa 20 Prozent lag. Die Wahl war von einem grossen Sicherheitsaufgebot begleitet. Für den Schutz der 12.000 Wahllokale wurden rund 300.000 Polizisten und Soldaten eingesetzt.

Ein Grossteil von Petros Anhängern rekrutiert sich aus der Protestbewegung, die im vergangenen Jahr angesichts der durch die Corona-Pandemie verschärften Nöte grosser Bevölkerungsteile Front gegen den rechtsgerichteten Präsidenten Iván Duque gemacht hatte. Bei den damaligen Unruhen waren nach UN-Angaben mindestens 46 Menschen getötet worden. Rund 40 Prozent der Kolumbianer leben in Armut und die Einkommensungleichheit im Land zählt laut Weltbank zu den ausgeprägtesten weltweit.

Duque darf nach einer Amtszeit nicht mehr bei der Präsidentschaftswahl antreten. Vor vier Jahren hatte er den damals schon kandidierenden Petro in der Stichwahl geschlagen.

Kolumbien leidet immer noch an den Folgen eines jahrzehntelangen Konflikts zwischen linksgerichteten Rebellen und der Armee sowie rechtsgerichteten Paramilitärs. Die M-19, der Petro einst angehörte, gab schon Anfang der 90er Jahre den bewaffneten Kampf auf und damit lange vor der weitaus grösseren Farc-Guerilla, die erst 2016 ein Friedensabkommen mit der Regierung unterzeichnete.

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