Hongkongs Regierung zieht umstrittenes Gesetz nach monatelangen Protesten zurück

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Hong Kong,

Hongkongs Regierung beugt sich dem Druck monatelanger Strassenproteste: Regierungschefin Carrie Lam gab am Mittwoch die Rücknahme des umstrittenen Auslieferungsgesetzes bekannt.

Videoansprache von Hongkongs Regierungschefin Lam
Videoansprache von Hongkongs Regierungschefin Lam - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Aktivist Joshua Wong bezeichnet Schritt als «zu klein, zu spät».

«Die Regierung wird das Gesetz in aller Form zurückziehen, um die Sorgen der Bevölkerung vollständig zu entkräften», sagte Lam in einer Video-Ansprache. Sie gibt damit einer der Hauptforderungen der Demonstranten nach, die in Hongkong seit drei Monaten für mehr Demokratie auf die Strasse gehen.

Die Vorlage des heftig umstrittenen Gesetzes, das Überstellungen von Verdächtigen an Festland-China vorsah, war Auslöser massiver Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungszone. Millionen Menschen gingen seit Juni in Hongkong auf die Strasse. Daraufhin wurde das Vorhaben im Juli auf Eis gelegt. Lam bezeichnete es zwischenzeitig als «tot», zog es aber nicht in aller Form zurück. Die Demonstranten forderten jedoch weiter den vollständigen Verzicht.

Inzwischen richten sich die Proteste generell gegen die pekingtreue Führung. Die Demonstranten fordern den Rücktritts Lams, eine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt, eine Amnestie für die Festgenommenen sowie freie Wahlen. Zuletzt kam es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten. Auch wuchs die Sorge vor einem chinesischen Militäreinsatz.

In ihrer Video-Ansprache schlug Lam jetzt einen versöhnlicheren Ton an. Sie appellierte an die Demonstranten, auf Gewalt zu verzichten und mit der Regierung in einen «Dialog» zu treten. «Last uns Konflikte durch Gespräche ersetzen und nach Lösungen suchen», sagte Lam. «Wir müssen Wege finden, der Unzufriedenheit in der Gesellschaft zu begegnen.» Die offizielle Rücknahme des Auslieferungsgesetzes erfolge mit der Parlamentseröffnung im Oktober.

Zugleich warnte Lam die Demonstranten, anhaltende Gewalt und weitere Provokationen gegenüber der Regierung in Peking brächten Hongkong in eine «angreifbare und gefährliche» Lage - ein Verweis auf die zunehmend schärfer werdenden Drohungen der chinesischen Regierung.

Der Aktivist Joshua Wong, ein prominentes Mitglied der Demokratiebewegung, bezeichnete Lams Schritt als «zu klein, zu spät». Die Welt müsse «auf der Hut vor dieser Taktik sein» und dürfe sich «nicht von Hongkong und der Regierung in Peking betrügen lassen». «Sie haben keine Zugeständnisse gemacht. Es wird hart durchgegriffen.»

Auch in Online-Foren der Demokratiebewegung wurde die Rücknahme des umstrittenen Gesetzes als unzureichend bezeichnet. «Mehr als tausend Menschen sind festgenommen worden, zahlreiche verletzt», erklärte ein Aktivist im Messengerdienst Telegram. «Fünf Hauptforderungen, keine weniger. Befreit Hongkong, Revolution jetzt», hiess es weiter.

Bei der Übergabe Hongkongs im Jahr 1997 sicherte China London zu, dass Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit in Hongkong für mindestens 50 Jahre gewahrt blieben. Hongkongs wiedererstarkte Oppositionsbewegung wirft der pekingtreuen Regierung vor, diese als «Ein Land, zwei Systeme» bekannte Regelung zunehmend zu unterlaufen.

Die Krise in Hongkong müsse auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angesprochen werden, wenn sie diese Woche nach China reise, forderten die aussenpolitischen Sprecher mehrerer Parteien. Nils Schmid (SPD) sagte der «Welt», Merkel müsse die Achtung der in Hongkong garantierten Rechtsstaatlichkeit und Grundfreiheiten anmahnen und zum Dialog drängen.

Jürgen Hardt (CDU), Aussenpolitiker der Unionsfraktion, zeigte sich zuversichtlich, dass die Regierungschefin die von China gegenüber Hongkong verbrieften Freiheitsrechte ansprechen werde. Merkel werde dies «aber zweifellos in einer Art und Weise tun, die den Chinesen eine gesichtswahrende, friedliche Reaktion ermöglicht, ohne sich von aussen unter Druck gesetzt zu sehen», sagte Hardt der «Welt». Solcher Druck bewirke in Peking häufig das Gegenteil.

Merkel kommt am Freitag in Peking mit Präsident Xi Jinping und Ministerpräsident Li Keqiang zusammen.

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