England liberalisiert das Scheidungsrecht
Wer sich in England scheiden lassen will, muss sich nicht mehr gegenseitig die Schuld zuweisen. Es ist die grösste Reform des Scheidungsrechts seit Langem.

Das Wichtigste in Kürze
- Früher mussten in England bei einer Scheidung Ehebruch oder Ähnliches nachgewiesen werden.
- Jetzt ist eine Scheidung auch ohne gegenseitige Schuldzuweisung möglich.
Keine gefälschten Beweise und keine jahrelangen Wartezeiten mehr: Seit Mittwoch können unglückliche Ehepartner in England und Wales ihre Ehen beenden, ohne sich gegenseitig die Schuld zuweisen zu müssen.
Es handelt sich um die grösste Reform im britischen Scheidungsrecht seit einem halben Jahrhundert. Zuvor hatten scheidungswillige Paare Ehebruch, «unvernünftiges Verhalten» oder Verlassenwerden nachweisen müssen. Andernfalls mussten sie zwei Jahre getrennt leben, bevor die Scheidung vollzogen werden konnte.
Unglückliche Ehe kein Scheidungsgrund?
Wenn ein Partner dem Verfahren widersprach, musste der andere gar fünf Jahre warten. Die langen Wartezeiten hatten dazu geführt, dass manche scheidungswilligen Ehepartner Privatdetektive engagierten, um Beweise gegen ihren Partner zu sammeln. Andere verständigten sich gemeinsam, Fehlverhalten vorzutäuschen.
Ausgelöst hatte die Änderung der Fall von Tini Owens. Die Frau hatte 2018 ein Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof verloren, nachdem es ihr nicht gelungen war, die Richter zu überzeugen, dass ihre 40-jährige Ehe beendet werden sollte. Ihr Ehemann hatte ihre Behauptungen über unangemessenes Verhalten bestritten, und die Richter entschieden, dass eine unglückliche Ehe an sich kein Grund für eine Scheidung sei.

«Niemand sollte in einer lieblosen Ehe verbleiben oder einen langen, langwierigen und teuren Rechtsstreit führen müssen, um sie zu beenden», sagte Owens. «Diese Gesetzesänderung beugt dem vor und ich begrüsse sie.»
Experten zufolge könnte die Gesetzesänderung auf der einen Seite zu einer Scheidungswelle führen - auf der anderen aber langfristig die Zahl der Eheschliessungen erhöhen, da die Hürden nicht mehr so hoch sind.