In Grossbritannien haben die Bürger am Donnerstag ein neues Parlament gewählt, das nach langer Hängepartie endlich eine Entscheidung im Brexit-Streit bringen soll.
Johnson bei der Stimmabgabe in London
Johnson bei der Stimmabgabe in London - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Johnson und Corbyn geben Stimmen ab.

Die Briten stimmten zum dritten Mal in vier Jahren über die Zusammensetzung der 650 Sitze im Unterhaus ab. Als Favorit galt Premierminister Boris Johnson mit seinen Konservativen, der ebenso wie Oppositionsführer Jeremy Corbyn in London seine Stimme abgab. Nach Schliessung der Wahllokale um 22.00 Uhr (Ortszeit, 23.00 Uhr MEZ) wurden erste Prognosen erwartet.

Johnson gab seine Stimme in einem Wahlbüro im Zentrum Londons ab. Er sagte, das Ergebnis stehe «auf Messers Schneide». Corbyn ging im Norden der britischen Hauptstadt zur Wahl. Er reckte den Daumen in die Höhe, bevor er seinen Stimmzettel in die Wahlurne steckte. Laut der letzten Umfrage liegen Johnsons konservative Tories vorne, haben aber eine noch im November vorhergesagte komfortable Mehrheit eingebüsst, Corbyns Labour-Partei konnte sich stabilisieren.

Mit Spannung wird daher der Ausgang der Wahl erwartet: Etwa eine Stunde nach der ersten Prognose dürften erste Ergebnisse eintreffen. Die Auszählung dürfte sich über die Nacht zu Freitag hinziehen.

Zum Wahltag hatten einige grosse Zeitungen ihren Lesern deutliche Empfehlungen für die Abstimmung mit auf den Weg gegeben. Der Corbyn nahestehende «Daily Mirror» titelte zu Bildern von Obdachlosen und Hebammen in unterbesetzten Krankenhäusern: «Für sie. Wählt Labour.» Die Zeitung «The Sun» rief dagegen zur Wahl Johnsons auf. «Rettet den Brexit. Rettet Britannien», titelte das Blatt.

Landesweit konnten die Wahlberechtigten in mehr als 4000 Wahlbüros abstimmen - darunter in einer Windmühle, in Pubs und einem Pommes-Frites-Geschäft. Schlechte Wettervorhersagen hatten im Vorfeld Auswirkungen des kalten Winterwetters auf die Wahlbeteiligung befürchten lassen. So waren Temperaturen um den Gefrierpunkt, Regen und auch Schnee in einigen Landesteilen vorhergesagt.

Johnson, der im Juli von seiner Vorgängerin Theresa May eine Minderheitsregierung übernommen hatte, hatte vorgezogene Neuwahlen herbeigeführt, um sich im Streit um den EU-Austritt eine Mehrheit im Parlament zu verschaffen. Beim Abstimmungsverhalten der Briten sei aber eine grössere «Sprunghaftigkeit» als früher zu beobachten, sagte der Politikwissenschaftler Chris Curtis. Zwar sei eine Mehrheit der Konservativen weiterhin das «wahrscheinlichste Ergebnis». Aber weder ein Parlament ohne klare Mehrheit noch ein Erdrutschsieg für die Tories können demnach ausgeschlossen werden.

Die Konservativen um den amtierenden Premierminister Johnson traten im Wahlkampf mit dem Slogan «Get Brexit Done» (Vollzieht den Brexit) an. Sollte Johnson die Mehrheit bekommen, will er noch vor Weihnachten seinen Austritts-Deal mit der EU durchs Parlament bringen und im neuen Jahr mit den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen beginnen. Derzeit ist der - mehrfach verschobene - Brexit für den 31. Januar geplant.

Die Opposition um Labour-Parteichef Corbyn will den EU-Austritt hingegen nochmal verschieben: Erst soll ein neuer Deal mit Brüssel verhandelt werden, der Grossbritannien deutlich enger an die EU bindet, als es Johnsons Vereinbarung tun würde - dann soll die Bevölkerung in einem Referendum zwischen diesem Deal und einem Verbleib in der EU entscheiden.

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