Deutschland bremst bei EU-Israel-Sanktionen
Deutschland und mehrere andere EU-Staaten blockieren einen Vorschlag zur sofortigen Sanktionierung Israels wegen der katastrophalen humanitären Lage in Gaza.

Bei Beratungen im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten konnte deswegen das Entscheidungsverfahren nicht eingeleitet werden, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) von Diplomaten in Brüssel erfuhr.
Konkret hatte die EU-Kommission am Montagabend empfohlen, die Teilnahme Israels am Forschungsförderungsprogramm Horizon Europe unverzüglich teilweise auszusetzen.
Damit soll der Druck auf das Land erhöht werden, eine bessere humanitäre Versorgung der notleidenden Menschen im abgeriegelten Gazastreifen zu ermöglichen, wo Israel die islamistische Hamas bekämpft. Israelischen Unternehmen könnten durch die Strafmassnahme den Zugang zu Zuschüssen in Millionenhöhe verlieren.
EU ist gespalten
Bei der Sitzung in Brüssel gehörte Deutschland laut Diplomaten zu den Ländern, die eine weitere Analyse des Vorschlags für nötig hielten und die Entwicklungen im Gazastreifen in den kommenden Tagen abwarten wollten.
Seit dem Wochenende lässt Israel wieder Hilfstransporte in grösserem Umfang in das Küstengebiet einfahren, zuletzt fuhren nach Angaben der Militärbehörde Cogat am Mittwoch rund 220 Lkw über den Grenzübergang.
Einige Delegationen äusserten sich den Angaben zufolge auch kritisch, da sie befürchten, dass Sanktionen gegen Israel den notwendigen Dialog mit den israelischen Behörden erschweren könnten.
Für die Umsetzung des Sanktionsvorschlags müssen nach Angaben der EU-Kommission 15 der 27 EU-Staaten zustimmen, die zusammen mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der teilnehmenden Mitgliedstaaten repräsentieren.
Lässt Israel EU-Beobachter zu?
Als entscheidende Länder gelten im Fall der Israel-Sanktionen Deutschland und Italien. Alle anderen grossen EU-Staaten und viele kleinere hatten sich zuletzt aufgeschlossen gegenüber Strafmassnahmen gezeigt. Von Diplomaten hiess es nach der Sitzung, viele Delegationen hätten ihre Unterstützung für den Sanktionsvorstoss zum Ausdruck gebracht, um den Druck auf die israelischen Behörden zu erhöhen.
Israelische Medien berichteten unterdessen, dass die israelische Regierung zur Abwehr der Sanktionsinitiative Zugeständnisse machen könnte. Demnach wird in Erwägung gezogen, Experten der EU eine Beobachtung der Lage vor Ort zu ermöglichen.
In Brüssel war zuletzt auch kritisiert worden, dass israelische Zusagen für mehr Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen bislang nur unzureichend umgesetzt worden seien. Bei ihnen geht es nach EU-Darstellung unter anderem darum, dass pro Tag mindestens 160 Lastwagen mit Hilfsgütern in den Küstenstreifen gelassen werden sollen.
Konkrete Gespräche darüber könnte es auch mit dem deutschen Aussenminister Johann Wadephul geben. Er will an diesem Donnerstag zu einer Reise in die Region aufbrechen und noch einmal versuchen, Israel diplomatisch zu einem Umdenken zu bewegen.
EU-Kommission: Israel verstösst gegen Menschenrechte
Der Sanktionierungsvorschlag der EU-Kommission sieht im Detail vor, die Beteiligung von israelischen Einrichtungen an Tätigkeiten auszusetzen, die über den Europäischen Innovationsrat (EIC) finanziert werden.
Getroffen würden demnach zum Beispiel Start-ups und kleine Unternehmen, die im Bereich Cybersicherheit, Drohnen und Künstliche Intelligenz arbeiten. Die Teilnahme israelischer Universitäten und Forscher an Kooperationsprojekten und Forschungsaktivitäten im Rahmen von Horizon bleibe von der vorgeschlagenen Massnahme unberührt, hiess es.
Zur Begründung heisst es in dem Entwurf für den Rechtstext, Israel verstosse mit seinem Vorgehen im Gazastreifen und der daraus resultierenden humanitären Katastrophe gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht. Damit werde ein wesentliches Prinzip der Zusammenarbeit zwischen der EU und Israel im Rahmen des geltenden Assoziierungsabkommens verletzt.
Ausdrücklich erwähnt werden auch Tausende zivile Todesopfer und eine rasant steigende Zahl von Fällen extremer Unterernährung, insbesondere bei Kindern. Israel verteidigt sein Vorgehen hingegen als notwendige Reaktion auf den Terror der islamistischen Hamas, die weiter Dutzende Geiseln im Gazastreifen festhält.
Droht auch juristischer Streit?
Zum weiteren Vorgehen hiess es nach den Beratungen von Diplomaten, die zuständige Arbeitsgruppe des Rates der Mitgliedstaaten solle sich nun um die Klärung technischer Fragen zum Sanktionsvorschlag kümmern. Der Ausschuss der ständigen Vertreter werde dann bei Fortschritten wieder zusammenkommen.
Möglich ist nach Informationen der dpa auch, dass juristische Streitigkeiten das Verfahren verzögern. Denn einige Mitgliedstaaten bezweifeln, ob der Sanktionsvorschlag wie von der EU-Kommission angegeben per Mehrheitsbeschluss angenommen werden kann.