Caritas fordert Wende bei Syrienhilfe: Wiederaufbau unterstützen
Caritas-Präsident Peter Neher hat sich für die Unterstützung von Wiederaufbauprojekten auch in Regierungsgebieten ausgesprochen.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Wiederaufbau in Syrien soll unterstützt werden.
- Dies das Anliegen von Caritas-Präsident Peter Neher.
- Die Nothilfe sei nicht mehr aussreichen, so Neher.
Caritas-Präsident Peter Neher hat sich für eine Wende bei der Syrienhilfe und für die Unterstützung von Wiederaufbauprojekten auch in Regierungsgebieten ausgesprochen. Die humanitäre Lage in dem Bürgerkriegsland sei eine Katastrophe. Dies sagte Neher der Deutschen Presse-Agentur vor der Brüsseler Syrien-Geberkonferenz an diesem Dienstag.
Kein Wiederaufbau wegen Baschar al-Assad
Die bisherige Konzentration auf Nothilfe müsse aufgegeben werden. «Wir müssen gezielte Wiederaufbaumassnahmen zulassen, auch in Gebieten unter Kontrolle des Regimes», sagte der Caritas-Präsident.
Bei der von der EU und den UN organisierten Online-Konferenz sollen am Dienstag neue Hilfszusagen für die notleidenden Menschen in Syrien gemacht werden. Die EU lehnt bislang Wiederaufbauhilfe in Gebieten unter Kontrolle der Regierung von Machthaber Baschar al-Assad ab, weil sie dessen Herrschaft nicht unterstützen will.

Deutschland und andere Staaten sind dazu nur bereit, wenn es bei einer politischen Lösung greifbare Fortschritte gibt. Eine solche ist nicht in Sicht.
Neher erklärte, Syriens Infrastruktur sei massiv zerstört. Rund 2,5 Millionen Kinder gingen nicht zur Schule. «Wir wollen den Menschen helfen, dass sie wieder ein Dach über dem Kopf haben», sagte der Präsident der katholischen Hilfsorganisation. «Wir wollen Kindergärten, Schulen und Gesundheitseinrichtungen wiederaufbauen.»
Bürgerkrieg, Wirtschaftskrise und grosse Armut
Die Realität vor Ort beisse sich mit der Ächtung des Regimes, sagte er. Dieses nehme die eigene Bevölkerung in Geiselhaft: «Bei dem Regime gibt es nichts schönzureden.» Assad sitze jedoch fest im Sattel.
«Man muss zumindest über Strategien nachdenken, wie man der Bevölkerung helfen kann, ohne das Regime zu stützen.» Gezielte Wiederaufbaumassnahmen könnten das Leben der Menschen verbessern, «ohne dass man das als Freibrief für das Regime sehen kann».
Durch den zehnjährigen Bürgerkrieg und die jüngste Wirtschaftskrise hat sich die Armut in Syrien stark vergrössert. Nach UN-Angaben litten 12,4 Millionen Menschen und damit fast 60 Prozent der Bevölkerung unter Hunger. Die Zahl der Menschen, die ohne Ernährungshilfe nicht überleben können, verdoppelte sich innerhalb eines Jahres. Der Assad-Regierung fehlt Geld, um den Wiederaufbau selbst zu bezahlen.
Perspektive jenseits des Vertriebenenlagers
Der Syrien-Koordinator der Welthungerhilfe, Konstantin Witschel, forderte von der Geberkonferenz «möglichst hohen Zusagen, die dann auch eingehalten werden müssen». Im vergangenen Jahr sei die Syrien-Hilfe der UN nur zu etwas mehr als Hälfte finanziert gewesen.

Zugleich rief Witschel dazu auf, Wege zu finden, dass die Menschen selbst für ihr Einkommen sorgen können. Heute seien viele zu 100 Prozent von humanitärer Hilfe abhängig. Das habe auch katastrophale psychologische Folgen.
«Es muss darum gehen, ihnen eine Perspektive jenseits eines Lebens in einem Vertriebenenlager zu geben», sagte Witschel. Eine Generation von Kindern ohne Perspektive wachse heran. «Wir können nicht über Jahrzehnte riesige Flüchtlingscamps erhalten.»