Angesichts des von der Ampel-Koalition geplanten Verbots für an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel drängen Verbraucherschützer und Gesundheitsorganisationen auf eine möglichst umfassende Regelung.
Kinder in einer Familieneinrichtung in Berlin
Kinder in einer Familieneinrichtung in Berlin - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Politik dürfe zum Schutz der Kinder «keine halben Sachen machen».

«Teilverbote greifen zu kurz», erklärten am Dienstag der AOK-Bundesverband, der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und das Wissenschaftsbündnis Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK). Sie verwiesen darauf, dass - mit steigender Tendenz - bereits rund 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland übergewichtig seien.

Konkret fordert das Bündnis, dass «zum Schutz von Kindern und Jugendlichen» weitreichende Werbebeschränkungen für ungesunde Lebensmittel gelten müssten. Sogenannte Influencer-Werbung, die für die Vervielfältigung von Marketingbotschaften von Unternehmen auf die starke Reichweite prominenter Nutzerinnen und Nutzern von Online-Netzwerken setzt, solle für Ungesundes komplett untersagt werden. Für TV, Streaming und Radio spricht sich das Bündnis für ein Werbeverbot zwischen 06.00 und 23.00 Uhr aus.

Für Plakatwerbung solle eine 100-Meter-Bannmeile im Umkreis von Kitas, Schulen und Spielplätzen gelten. Gesunde Lebensmittel, die die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erfüllen, sollen von den Verboten nicht betroffen sein.

«Um Kinder zu schützen, darf die Politik keine halben Sachen machen», forderte die Leiterin des Geschäftsbereich Verbraucherpolitik beim vzbv, Jutta Gurkmann. «Die Werbebeschränkungen müssen für alle Kanäle und Werbeformen wie Kino, Zeitschriften oder Social Media gelten. Ansonsten würde die Lebensmittelwirtschaft ihre Werbung für Lebensmittel mit viel Zucker, Salz und Fett auf die Schlupflöcher verlagern und wenig wäre gewonnen.»

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heisst es: «An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben.»

«Wir begrüssen es, dass an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel endlich unterbunden wird», erklärte Barbara Bitzer, Sprecherin des Wissenschaftsbündnisses DANK, dem unter anderem der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), die Deutsche Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin (DGKJ), die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) angehören. «Die Zeit der wirkungslosen Selbstverpflichtungen der Lebensmittelindustrie ist passé», fügte sie hinzu.

Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, ergänzte, dass Kinder «tagtäglich den Lockrufen für ungesunde Lebensmittel ausgesetzt» seien. «Das begünstigt ungesunde Ernährungsmuster im Kindesalter und kann sich ein Leben lang negativ auf die Gesundheit auswirken.» Im Sinne der Prävention sei es «zielführend, die Werbung einzuschränken».

Eine Studie der Universität Hamburg im Auftrag von AOK-Bundesverband und DANK wies im vergangenen Jahr auf das Ausmass der Lebensmittelwerbung in Deutschland hin. Demnach sieht ein mediennutzendes Kind pro Tag 15 Werbespots oder -anzeigen für ungesunde Lebensmittel. Der Einfluss der Werbung auf das Ernährungsverhalten von Kindern gelte inzwischen als gut belegt, erklärte das Bündnis.

Der Präsident des BVKJ, Thomas Fischbach, hob zudem hervor, dass Übergewicht bei Kindern ein wachsendes Problem ist. «Schon vor Beginn der Corona-Pandemie war jedes siebte Kind in Deutschland übergewichtig», erklärte er. «Seit etwa zwei Jahren beobachten wir in den Praxen einen deutlichen Anstieg des Körpergewichts bei Kindern», führte er weiter aus. «Die Adipositas-Epidemie ist geradezu eskaliert.» Werbeverbote und die Förderung einer gesunden Ernährung seien daher wichtiger denn je.

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