Britische Abgeordnete erwirken in Streit um Änderung des Brexit-Vertrags Vetorecht
Im Streit um die von Grossbritanniens Premierminister Boris Johnson geplante einseitige Änderung des Brexit-Vertrags haben die Abgeordneten des Londoner Unterhauses ein Vetorecht erwirkt.

Das Wichtigste in Kürze
- Mehrheit im Unterhaus stimmt für Anpassungen in umstrittenem Gesetzentwurf.
In einer Abstimmung am Dienstagabend unterstützte eine Mehrheit der Parlamentarier Anpassungen im Entwurf für ein umstrittenes Binnenmarktgesetz, das eine Zustimmungspflicht der Abgeordneten vorsieht. Zuvor hatten mehrere Parlamentarier - auch aus den Reihen von Johnsons Tories - damit gedroht, das Vorhaben zu blockieren.
Die britische Regierung hatte Anfang September überraschend angekündigt, den mit der EU geschlossenen Brexit-Vertrag einseitig zu ändern. Premierminister Johnson will mit einem dazu geplanten Binnenmarktgesetz mehrere Schlüsselregelungen zu Nordirland aushebeln. Darin geht es um die Aussetzung von Zollregelungen im Warenhandel für die britische Provinz und von Vorgaben zu Staatsbeihilfen für britische Unternehmen.
Die EU kritisierte das Vorhaben der britischen Regierung scharf. Europastaatsminister Michael Roth (SPD) als Vertreter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft nannte die Pläne am Dienstag in Brüssel «vollkommen inakzeptabel».
Über den angepassten Gesetzentwurf beraten die Unterhausabgeordneten Anfang kommender Woche erneut, für Dienstag ist eine Abstimmung über den finalen Entwurf geplant. Stimmt auch dann eine Mehrheit der Abgeordneten dem Gesetzentwurf zu, wird er den Abgeordneten des Oberhauses zur Prüfung vorgelegt.
Der konservative Abgeordnete Bob Neill, der vor der Abstimmung am Dienstag mit einer Blockade des Vorhabens gedroht hatte, sagte, die neuen Anpassungen in dem Gesetzentwurf machten «das Beste aus einer schlechten Sache». Der Gesetzentwurf sei nicht in seinem Sinne, jedoch sei es im Interesse des Landes, dass es eine «funktionierende Reihe an Regeln zur Verbesserung des Binnenmarkts innerhalb des Vereinigten Königreichs» gebe.
Die EU-Kommission hatte London aufgefordert, die Pläne zur Änderung des Brexit-Vertrags bis spätestens Ende September zurückzunehmen. Andernfalls droht sie mit rechtlichen Schritten, was zu einer Klage beim Europäischen Gerichtshof oder der Anrufung des Streitschlichtungsgremiums zum Austrittsvertrag führen könnte. Bekommt die EU dort Recht, könnten Strafgelder gegen Grossbritannien verhängt werden.
Auch innerhalb von Johnsons konservativen Tories ist die geplante Vertragsänderung hochumstritten. Die frühere britische Regierungschefin Theresa May hatte die Pläne als «rücksichtslos und unverantwortlich» bezeichnet und gewarnt, dass das Binnenmarktgesetz dem «Ruf des Vereinigten Königreichs unbeschreiblichen Schaden zufügen» werde.