Internationale Regierungen haben die Wiederwahl von Nicaraguas Langzeit-Staatschef Daniel Ortega als «Farce» verurteilt.
Ortega (r.) und seine Frau Rosario Murillo
Ortega (r.) und seine Frau Rosario Murillo - Nicaraguan Presidency/AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Borrell: Zentralamerikanisches Land hat nun endgültig «autokratisches Regime».

In Nicaragua sei nun endgültig ein «autokratisches Regime» installiert, erklärte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell am Montag. Laut offiziellen Teilergebnissen kam der 75-jährige Präsident bei dem von Oppositionsparteien boykottierten Urnengang am Sonntag auf 75 Prozent der Stimmen.

An der Rechtmässigkeit des Wahlergebnisses gibt es immense Zweifel. Sieben Präsidentschaftsbewerber der Opposition sitzen seit Monaten in Haft. Die fünf letztlich zur Wahl zugelassenen Oppositionskandidaten galten als Loyalisten der Ortega-Regierung. Internationale Beobachter waren bei der Wahl nicht zugelassen. Auch den meisten ausländischen Medien wurde der Zugang verwehrt.

Ortegas Sieg stand deshalb bereits im Vorfeld so gut wie fest. Schon vor der Verkündung des Teilergebnisses feierten am Sonntag in der Hauptstadt Managua Anhänger des Präsidenten dessen Sieg. «Ja, wir haben es geschafft, Daniel, Daniel!», riefen sie und zündeten Feuerwerkskörper.

Die tatsächliche Unterstützung für den seit 14 Jahren ununterbrochen an der Spitze des zentralamerikanischen Landes stehenden Ortega dürfte an der Wahlbeteiligung ablesbar sein: Nach Angaben der oppositionsnahen Wahlbeobachtungsstelle Urnas Abiertas (Offene Urnen) blieben 81,5 Prozent der Wahlberechtigten der Wahl fern. Der Oberste Wahlrat gab die Wahlbeteiligung dagegen mit rund 65 Prozent an.

Borrell betonte, die Wahl sei durch die «systematische Inhaftierung» und «Einschüchterung» von Oppositionsführern gekennzeichnet gewesen. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin sagte, die Wahl in Nicaragua habe «nicht die Mindestvoraussetzungen einer freien und fairen Wahl erfüllt».

US-Präsident Joe Biden sprach von einer «Pantomimen-Wahl», die weder «frei noch fair und ganz bestimmt nicht demokratisch» gewesen sei. Bei Ortega und seiner Frau Rosario Murillo handele es sich um «Autokraten».

US-Aussenminister Antony Blinken sprach von einer «undemokratischen Wahl», die Ortega und Murillo «kein demokratisches Mandat zum Regieren erteilt». Die spanische Regierung bezeichnete die Wahl als «Farce auf die Demokratie». Ähnlich äusserten sich führende Abgeordnete des Europaparlaments.

Rückendeckung erhielt Ortega dagegen aus Moskau. Russlands Aussenminister Sergej Lawrow nannte es bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem venezolanischen Kollegen Félix Plasencia «inakzeptabel», wenn westliche Staaten das Wahlergebnis nicht anerkennten. Plasencia wandte sich gegen «die Einmischung Washingtons in Lateinamerika». Zuvor hatte Venezuelas international weitgehend isolierter Machthaber Nicolás Maduro seinem nicaraguanischen Kollegen gratuliert.

Kritiker werfen Ortega vor, über die Jahre hinweg einen zunehmend autoritären und repressiven Regierungsstil entwickelt zu haben. Verfassungsregelungen zur Begrenzung der Amtszeiten des Präsidenten liess er aushebeln. Massenproteste gegen Ortega im Jahr 2018 wurden von den Sicherheitskräften gewaltsam niedergeschlagen, mehr als 300 Menschen wurden dabei getötet.

In den vergangenen Monaten liess Ortega eine Reihe von Oppositionspolitikern, Journalisten und Aktivisten einsperren. Nach Einschätzung des nicaraguanischen Zentrums für Menschenrechte (Cenidh) handelt es sich bei Nicaragua inzwischen um einen «Polizeistaat», in dem Angstmache und «soziale Kontrolle» dazu dienen, «die Opposition zu vernichten».

Ortega und seine Regierung sind mit EU- und US-Sanktionen belegt. Vor der Wahl hatten die USA den Druck erhöht. Der US-Kongress verabschiedete am vergangenen Mittwoch ein Gesetz, das eine Verschärfung der Sanktionen gegen Ortegas Regierung vorsieht. US-Aussenminister Blinken drohte am Montag mit «weiteren Sanktionen und Visa-Restriktionen» und forderte die «sofortige und bedingungslose Freilassung unrechtmässig Inhaftierter».

Ortega war bereits in den 1980er Jahren Präsident, nachdem er zuvor als Kommandant der linksgerichteten Sandinisten-Guerilla zum Sturz des Diktators Anastasio Somoza im Jahr 1979 beigetragen hatte. 1990 wurde Ortega abgewählt. 2007 gelangte er dann erneut durch Wahlen in das höchste Staatsamt. Grosse Macht in dem 6,5-Millionen-Einwohner-Land übt auch Ortegas Ehefrau Rosario Murillo aus, die Vizepräsidentin ist.

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