Das staatliche belarussische Fernsehen hat Interview mit dem inhaftierten Regierungskritiker Protassewitsch ausgestrahlt, das vermutlich unter Zwang entstand.
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Aktivisten mit einem Bild von Protassewitsch. (Mitte) - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Regierungskritiker Roman Protassewitsch sitzt in Belarus immer noch in U-Haft.
  • Am Donnerstag strahlte das Staatsfernsehen ein Interview mit ihm aus.
  • Sein Vater vermutet, sein Sohn sei durch Folter zu den Aussagen gezwungen worden.

Das staatliche belarussische Fernsehen hat am Donnerstagabend ein aufgezeichnetes Interview mit dem inhaftierten Regierungskritiker Roman Protassewitsch ausgestrahlt, das vermutlich unter Zwang entstand.

Darin bekennt sich der sich offensichtlich unwohl fühlende 26-Jährige dazu, zu Protesten aufgerufen zu haben und lobt Machthaber Alexander Lukaschenko. Protassewitschs Vater sagte der Nachrichtenagentur «AFP», es handle sich dabei um eine durch Folter erzwungene Aussage. Unterdessen kündigte Minsk Vergeltungsmassnahmen wegen der von den USA verhängten Sanktionen an.

Staatssender: «Emotionales Spektakel»

Der belarussische Staatssender «ONT» hatte am Donnerstagvormittag einen Trailer des Studiointerviews mit Protassewitsch veröffentlicht und dieses als «emotionales» Spektakel beworben. Darin war Protassewitsch mit ernstem Gesicht zu sehen, im Hintergrund lief furchterregende Musik.

Der sichtlich unter Schlafentzug leidende und an den Händen erkennbar mutmasslich gefolterte Lukaschenko-Kritiker sagte etwa, er kooperiere «komplett und transparent». Er würde aufhören, vor Etwas davonzulaufen. Dann legte er sein Gesicht in seine Hände und weinte.

Besonders unglaubwürdig erscheinen Aussagen, in denen Protassewitsch plötzlich Alexander Lukaschenko als tollen Staatsführer lobt. Jener, der der Journalist in der Vergangenheit regelmässig für seinen Totalitarismus und sein gewaltsames Unterdrücken von Demonstrationen kritisiert hatte.

Jetzt sagte Protassewitsch: «Ich verstehe jetzt, dass viele Dinge, für die Lukaschenko kritisiert wird, nur Versuche sind, ihn unter Druck zu setzen. In vielen Momenten agierte Lukaschenko wie jemand, der Eier aus Stahl hat.»

Interview unter «Missbrauch, Folter und Drohungen»?

Aussagen, die gemäss dem Vater des Regierungskritikers, Dmitri Protassewitsch, erzwungen sein müssen. «Ich kenne meinen Sohn sehr gut und ich glaube, dass er so etwas nie sagen würde», sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Das Video sei als Ergebnis von «Missbrauch, Folter und Drohungen» entstanden.

«Sie haben ihn gebrochen und ihn gezwungen, das zu sagen, was nötig war», sagte Protassewitschs Vater. Es schmerze ihn, das Interview zu sehen. «Ich bin sehr besorgt.»

«Was auch immer er jetzt sagt, es ist reine Propaganda», sagte Wjasna-Chef Alex Bjaljazki vor der Ausstrahlung. Protassewitsch sei mit «unfairen, aber sehr ernsten Anschuldigungen» konfrontiert und so «mindestens psychologisch bedroht» und unter Druck gesetzt worden.

Protassewitsch und seine Partnerin waren am 23. Mai festgenommen worden, nachdem ihr Ryanair-Flug auf dem Weg von Athen nach Vilnius von einem belarussischen Kampfjet zur Landung in der Hauptstadt Minsk gezwungen worden war. Als Reaktion darauf sperrten die EU-Länder ihren Luftraum für Flugzeuge aus Belarus und sprachen ein Landeverbot aus.

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