«Woke-Drall»: Geschichtslehrer schiessen gegen neue Gymi-Reform
Die Kantone haben bis 2029 Zeit, eine Reform des Gymnasiums umzusetzen. Das Fach Geschichte könnte darunter leiden. Das sorgt für Kritik.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Reform des Gymi-Unterrichts in der Schweiz sorgt für Unmut.
- Die Zahl der Geschichtslektionen dürfte sich verringern.
- Dazu befürchten Lehrer, dass der Unterricht zu woke wird.
In der Schweiz ist eine Reform des Gymnasiums im Gang. 2024 wurde ein neuer Rahmenlehrplan für die Maturitätsschulen verabschiedet. Bis zum Schuljahr 2029/30 müssen die Kantone die Neuerungen umsetzen.
Besonders betroffen ist das Fach Geschichte, wie die «NZZ» berichtet. Einerseits stösst der neue Unterrichtsbereich «Bildung für nachhaltige Entwicklung» (BNE) auf Widerstand. An dessen Grundsätzen sollen sich alle Fächer künftig orientieren.
Die BNE habe aber einen «Woke-Drall», monieren Geschichtslehrer gegenüber der Zeitung. Die «schlimmsten Befürchtungen» seien eingetreten.
«Wie will man das Zeitgeschehen ohne historische Kenntnisse verstehen?»
Andererseits soll auch die Anzahl der Geschichtslektionen reduziert werden. Die «NZZ» beruft sich dabei auf das Beispiel Sankt Gallen. Dort soll es dafür neu das Fach «Grundlagen für reflektiertes Denken» geben.
Der Präsident des Vereins der Schweizer Geschichtslehrer, Martin Pryde, sieht das kritisch: «Ukraine, Nahost, auch aktuell mit den Zöllen: Wie will man das Zeitgeschehen ohne historische Kenntnisse verstehen?»
Dass das Gefühl vorherrsche, wonach es auch mit weniger Lektionen geht, sei «absolut stossend». Für Pryde ist klar: «Das Problem wird auf die leichte Schulter genommen.»
Für das Argument, dass historisches Wissen beispielsweise im Berufsleben nichts bringe, hat Pryde wenig Verständnis. Der Unterricht bereite sehr wohl auf das Berufsleben vor. «Man lernt etwa, mit Quellen umzugehen.» Das sei eine Forderung, die explizit an die Schulen gestellt werde.
Experte: Fach Geschichte wird geschwächt
Philippe Weber, Dozent für Fachdidaktik Geschichte an der Universität Zürich, bestätigt: Mit der neuen Reform werde das Ansehen des Fachs Geschichte geschwächt. Stattdessen sollen Mint-Fächer oder Wirtschaft und Recht gefördert werden.

Gleichzeitig betont er: «Kantone und Schule sind frei in der Umsetzung. Von woken Vorgaben kann keine Rede sein.»
Im Falle der «Bildung für nachhaltige Entwicklung» müsse man aber schon genau hinschauen. Da ist sich Weber mit Pryde einig. Wenn beispielsweise versucht werde, den Schülern Flugscham zu vermitteln, gehe das gar nicht, so Weber.