Ueli Schmezer: «Mir standen die Haare zu Berge!»
Seit knapp sechs Monaten sitzt Ueli Schmezer für die SP im Nationalrat. Wie ist ihm der Wechsel von der TV- auf die Politbühne gelungen?

BärnerBär: Ueli Schmezer, wie würden Sie Ihre ersten knapp sechs Monate im Nationalrat einordnen?
Ueli Schmezer: Gemessen daran, wie ich mich fühle, würde ich sagen, ich bin angekommen. Vieles ist mir schon vertraut: Zahlreiche Leute im Bundeshaus kenne ich bereits von früher, zudem ist Politik ähnlich wie Journalismus: Man muss sich in kurzer Zeit in ein Dossier einlesen, sollte schnell kapieren, worum es geht und die richtigen Fragen dazu stellen. Im Unterschied zum Journalismus darf ich diese Fragen nun aus einer politischen Position heraus beantworten.
BärnerBär: Sie verstehen sich auch mit Ihren politischen Gegnern?
Ueli Schmezer: Wer vom linken Spektrum herkommt, muss sowieso mit allen reden können. Klar gibt es solche, die so weit ausschlagen, dass sich keine gemeinsame Basis finden lässt. Generell aber den Austausch zu suchen und mitzuhelfen, die Schweiz besser zu machen, ist enorm spannend.

BärnerBär: Beim «Kassensturz» waren Sie Ihren Gästen gegenüber hartnäckig, unangenehm und öfters provokativ. Inwiefern entspricht diese Haltung Ihrem eigenen Charakter?
Ueli Schmezer: Ich will wissen, wie etwas ist. Auch sonst im Leben. Wenn Leute an einem Tisch sitzen und reden, doch niemand hat eigentlich eine Ahnung von der Sache, werde ich unruhig. Als Journalist frage ich so lange weiter, bis das Gegenüber eine berechtigte Frage beantwortet hat.
Die Erfahrung zeigt leider, dass Interviewgäste oft einfach irgendwas erzählen, in der Hoffnung, dass die Zeit vorbeigeht. Zwangsläufig hake ich dann nach im Sinne von: Das habe ich verstanden, aber die Frage war …
BärnerBär: Sie haben sich in Ihren ersten Monaten als Nationalrat für Sammelklagen eingesetzt. Sie legen den Fokus also als Politiker ebenfalls auf Themen, die Konsumentinnen und Konsumenten helfen sollen?
Ueli Schmezer: Das liegt auf der Hand, ja. Auf meinem Wahlkampf-Flyer stand ja schliesslich «Konsumentenschützer». Bei den Sammelklagen ist mir Folgendes wirklich wichtig: Der Nationalrat hat mit falschen Argumenten beschlossen, nicht einmal darüber zu diskutieren. Mir standen die Haare zu Berge. Vorletzte Woche entschied die Ständeratskommission genau gleich.
Das ist eine komplette Verweigerung der Bevölkerung gegenüber. Die gute Nachricht: Plädiert der Ständerat in der Herbstsession ebenfalls für Nichteintreten, lanciert der «K-Tipp» eine Initiative. Darf ich noch kurz einige weitere Themen ausführen, an denen ich dran bin?
BärnerBär: Sicher.
Ueli Schmezer: Derzeit läuft ein Angriff auf das Kartellgesetz. Dagegen wehre ich mich, denn das Gesetz ist ein zentraler Pfeiler gegen die Hochpreisinsel Schweiz. Bundesrat Rösti seinerseits will Gentechpflanzen durch die Hintertür einführen mit einem neuen Gesetz. Dann: Ist das Stromabkommen mit der EU wirklich im Sinne der Konsumentinnen und Konsumenten?
Weiters bin ich für Fischzuchten, weil die Meere schon ziemlich leergefischt sind. Doch hier wird zu wenig auf eine tiergerechte Haltung geschaut. Und ich setze mich dafür ein, dass Lithium in der Schweiz als essenzielles Spurenelement anerkannt wird, weil es enorm wichtig für die Gesundheit ist und viele Menschen an einem Mangel leiden.

BärnerBär: Mit Matthias Aebischer und Ihnen sind gleich zwei prominente ehemalige SRF-Gesichter Mitglieder der SP. Der Beweis dafür, dass Journalisten links ticken?
Ueli Schmezer: Wir sind ein zutiefst bürgerliches Land. Da wirkt ein Journalist, der kritisch fragt, für gewisse Leute sowieso rasch links (schmunzelt). Tatsächlich verorten sich Medienschaffende selber tendenziell eher links, das zeigt die Umfrage, die immer wieder zitiert wird.
Das bedeutet aber überhaupt nicht, dass redaktionelle Beiträge eine ideologische Schlagseite haben. Übrigens gibt es mit dem Zürcher Ex-Nationalrat Filippo Leutenegger, mit Maximilian Reimann, Patrick Hässig und Jonas Projer auch Gegenbeispiele zu Ihrer These.
BärnerBär: Man kann doch auch aus einer bürgerlichen Wertehaltung seriösen Journalismus betreiben, wie das Beispiel «NZZ» zeigt.
Ueli Schmezer: Absolut. Ich möchte bloss betonen, dass längst nicht alle Medienschaffenden dem Mindset folgen, gegenüber allem und allen kritisch zu sein. Als Journalist sollte ich bei jenen Themen dort am skeptischsten sein, wo ich persönlich auf Anhieb sagen würde: Ja, genau so ist es!
BärnerBär: In einem «Bund»-Interview wurden Sie unter anderem als eitel betitelt. Und dass Sie ins Stocken geraten würden, wenn Sie mit kritischen Fragen konfrontiert sind.
Ueli Schmezer: (Überlegt) Eitel ist ein Schlagwort, das bei öffentlichen Personen schnell mal benutzt wird. Um nicht zu sagen: automatisch. Logisch möchte ich auf Pressefotos nicht schlecht aussehen. Oder krank. Weil es dann sofort heissen würde: Jesses, was ist denn mit dem Schmezer los? Nun frage ich Sie: Ist das jetzt eitel? Ich kann mit diesem Begriff ehrlich gesagt nur wenig anfangen.
BärnerBär: Und die Sache mit dem Stocken?
Ueli Schmezer: Sie können mir jede noch so kritische Frage stellen. Ich mag Fragen und habe keine Angst vor ihnen (lacht). Doch ich möchte genug Zeit haben zum Überlegen, bevor ich antworte. Ich will eine fundierte Antwort geben. Das Sage ich immer vor einem Gespräch. Das hat nichts mit Ins-Stocken-Geraten zu tun. Es ist halt einfach wahnsinnig lässig, das in einem Artikel so zu formulieren.
BärnerBär: Darf ich Sie bitten, ganz kurz zu einigen Schlagworten Stellung zu nehmen, die Ihrer Partei wichtig sind?
Ueli Schmezer: Gerne.
BärnerBär: Frauenquoten.
Ueli Schmezer: Wo sie für die Gleichstellung nötig sind: ja.
BärnerBär: Bezahlbarer Wohnraum.
Ueli Schmezer: Dringend notwendig. Wer nicht selber Wohneigentum besitzt, hat oft ein riesiges Problem.
BärnerBär: Fleischkonsum.
Ueli Schmezer: Ich stehe dazu, gerne Fleisch zu essen. Klar ist allerdings auch: Wir essen massiv zu viel. Das wird sich ändern, ändern müssen. Das ist kein Votum gegen Züchter und Mäster, sondern schlicht eine ökologische Notwendigkeit.
BärnerBär: Gendern.
Ueli Schmezer: Es gibt ja Menschen, die sich bei diesem Thema furchtbar aufregen und finden: Habt ihr denn keine anderen Probleme? Ihnen entgegne ich: Und ihr, habt ihr keine anderen Probleme? Ohne arrogant zu wirken: Ich möchte meine Lebenszeit nicht damit vergeuden, mich für diese Selbstverständlichkeit erklären zu müssen.
BärnerBär: Was halten Sie – um den Kreis zu schliessen – als ehemaliger SRF-Moderator von der Halbierungsinitiative?
Ueli Schmezer: Als Bürger blicke ich der Abstimmung mit grosser Sorge entgegen. Wir würden mitten in einer Medienkrise ausgerechnet jenes Medienhaus zerstören, das unabhängig finanziert ist und das uns allen gehört. Ich hoffe, den Menschen wird bewusst, dass diese Initiative eine unglaublich schlechte Idee ist.
BärnerBär: Zum Schluss: Wie lange wollen Sie Nationalrat bleiben? Oder haben Sie gar höhere Ambitionen?
Ueli Schmezer: In der Schweiz laufen politische Prozesse bekanntlich langsam ab. Es benötigt also schon ein paar Jahre, um etwas zu bewirken. Zu den höheren Ambitionen … nun, eine mögliche Antwort wäre: Herr Schott, über dem Parlament steht nur die Bevölkerung ...
BärnerBär: Gut, dann frage ich direkter: Könnten Sie sich vorstellen, für den Bundesrat zu kandidieren?
Ueli Schmezer: Ich kann mir alles vorstellen (grinst).