Wer darf drüber? Kampf um die Berner Kornhausbrücke entbrannt
Ein Streit ist darüber entbrannt, wer die Kornhausbrücke in Zukunft benutzen darf. Wie die Parteien argumentieren und wie es weitergehen könnte.

Rund neun Monate lang wurde sie saniert. Nur Fussgängerinnen und Fussgänger durften die Kornhausbrücke passieren.
Wer wollte, konnte von seinem Velo absteigen und es vom Kursaal zum Zytglogge – oder in die Gegenrichtung – schieben. Trams und Busse sowie Autos wurden hingegen umgeleitet.
Das mag als temporäre Lösung zwar funktioniert haben, dennoch scheinen alle erleichtert zu sein, dass die Kornhausbrücke seit rund zehn Tagen wieder für den gesamten Verkehr frei zugänglich ist.

Alle? Nicht ganz. Schon kurz nach Wiedereröffnung lancierten Politikerinnen und Politiker aus links-grünen Kreisen eine Debatte darüber, wem die knapp 400 Meter lange Strecke in Zukunft offenstehen soll.
Für Michael Ruefer von der GFL (früher GLP) steht jedenfalls fest: «Während der Sanierung hat sich gezeigt, dass eine Sperre für den Autoverkehr weder zu einem Kollaps des Verkehrsnetzes noch zu wesentlichen Mehrbelastungen auf dem Viktoriarain, dem Nordring oder der Lorrainebrücke führt», wie er den Tamedia-Zeitungen erklärt.
Bereits im Frühling 2024 überwies der Stadtrat eine Motion, die verlangte, die Kornhausbrücke für den motorisierten Individualverkehr (MIV) komplett zu sperren – gegen den Willen der Berner Stadtregierung. Jetzt erhält die Diskussion also neuen Auftrieb.
GB: Es braucht keine zentralen Parkplätze
Unterstützung bekommt Ruefer von der SP.
«Wir finden das prinzipiell eine gute Idee», sagt Fraktionschef Dominik Fitze auf Anfrage dem BärnerBär. Schliesslich wünschten sich die Bernerinnen und Berner weniger Autos. «Insbesondere weniger Durchgangsverkehr.»
Deswegen, so Fitze, «muss die Velooffensive nun weitergehen.» Dem Gewerbe und jenen Menschen, die aufs Auto angewiesen sind, möchte der Sozialdemokrat hingegen keine Steine in den Weg legen.
Sehr ähnlich tönt es bei Mirjam Arn vom Grünen Bündnis (GB), deren Parteikollegin Nora Joos die erwähnte Motion mitinitiiert hatte. «Generell soll die Innenstadt entlastet werden. Auch ein autofreier Bahnhofplatz wäre anzustreben.»
Auf die Frage, welchen Platz sie den Autos in Bern zugestehen würde, antwortet die GB-Stadträtin: «Motorisierter Individualverkehr soll in der Innenstadt und in den Quartieren so weit wie möglich reduziert werden.»
Ein Zugang zur Stadt via Park & Ride oder öffentlichen Verkehrsmitteln sei gut möglich, «so dass auch keine grossen zentralen Parkhäuser und -plätze benötigt werden», hält Mirjam Arn fest.
«Eine dumme Schnapsidee!»
Ganz anders argumentiert das bürgerliche Lager. Laut Mitte-Stadträtin Michelle Steinemann hat sich die Umleitung über den Viktoriarain als «nicht ideal» erwiesen.
Es sei zu wenig Platz für Autos und Velos vorhanden: Erstere würden zu weit rechts fahren, letztere kämen daher nicht an ihnen vorbei.
Steinemann folgert: «Es hat nicht viel Verkehr über die Kornhausbrücke und es ist auch nicht attraktiv drüberzufahren, weil man ja trotzdem nicht in die Altstadt gelangt. Darum sehe ich keinen Mehrwert, wenn die Brücke gesperrt wird.»
Und weiter: «Auf den Hauptachsen muss der Verkehr – inklusive MIV und Wirtschaftsverkehr – fliessen.»

Gewohnt markige Worte wählt SVP-Fraktionschef Alexander Feuz. «Das ist eine dumme Schnapsidee», platzt es aus dem Politiker heraus. Schliesslich seien in der Abstimmungsvorlage zur Sanierung der Kornhausbrücke keine Einschränkungen für Autos eingeplant gewesen.
«Für mich wäre das deshalb Wählertäuschung!» Die Brücke für den MIV abzuriegeln, kommt für Feuz nicht infrage. «Der Verkehr geht dann einfach längere Wege durch die Quartiere. Auf Brücken stören Autos am wenigsten, da dort niemand wohnt.»
Viel eher wünscht sich Feuz Kontrollen von Velofahrerinnen und Velofahrern, damit Fussgänger auf Trottoirs nicht von diesen bedrängt würden.
Das sagt die Stadt Bern
Und was meint eigentlich der TCS zur Causa Kornhausbrücke? Für Sibylle Plüss, Co-Präsidentin der Sektion Bern, wäre eine dauerhafte Sperrung für den motorisierten Individualverkehr «ein weitreichender Eingriff in die Verkehrsstruktur der Stadt Bern».
Deshalb erachtet der TCS eine solche Massnahme aktuell als «verfrüht und nicht angebracht». Zuerst brauche es jetzt eine Auswertung der Erfahrungen, die während der neunmonatigen Umleitung gesammelt worden seien.
Eine erste Aussage dazu macht Jurgen Mesman, Co-Leiter der städtischen Verkehrsplanung, in «Bund» und «Berner Zeitung». Die Sperrung habe «zu einer gewissen Verkehrsverlagerung» geführt. Konkret hätten die Messstellen gezeigt, dass es auf der Achse Viktoriarain-Lorrainebrücke, «die ohnehin schon stark frequentiert ist», Mehrverkehr gegeben habe.
Was eine dauerhafte Sperrung der Kornhausbrücke für Folgen hätte – dazu sei eine Gesamtansicht nötig, die andere Projekte miteinschliesse, erklärt Mesman weiter.
GFL-Stadtrat Michael Ruefer, der seinerseits Präsident der VCS-Regionalgruppe Bern ist, ist von der Position der Stadt enttäuscht. Man könne auch alles fünfmal überprüfen, sagt er bei Tamedia. «Hier fehlt mir der Mut.»

Vorerst dürfte die Kornhausbrücke für Autos, Motorräder und Lastwagen also offen bleiben.
Der Druck von Links-Grün, die Achse für den MIV zu sperren, wird in der nächsten Zeit allerdings kaum nachlassen. Die Fronten sind, wie in diesem Thema üblich, verhärtet.
Vielleicht braucht es bald jemanden, der hier vermitteln kann. Ein Brückenbauer wäre da gar nicht so schlecht.








