Sucht Schweiz warnt vor Alkohol im Bundeshaus
Weisswein ist im Restaurant des Parlaments das beliebteste alkoholische Getränk. Doch schon kleine Mengen Alkohol senken laut Sucht Schweiz die Konzentration.

Das Wichtigste in Kürze
- Das Restaurant im Bundeshaus bietet Wein, Schaumwein, Bier und Spirituosen an.
- Schon wenig Alkohol wirkt laut Sucht Schweiz den Anforderungen des Parlaments entgegen.
- «Wichtig ist, dass, wo gearbeitet wird, nicht getrunken wird», sagt eine SP-Nationalrätin.
Ein Schlückchen Weisswein trinken und zurück an die Arbeit? Was in Firmen als No-Go gilt, ist im Bundeshaus möglich.
Das Restaurant Grand Café Galerie des Alpes ist nur ein paar Schritte von den beiden Ratskammern entfernt. Je nach Debattenstart können Parlamentarierinnen und Parlamentarier dort schon frühmorgens alkoholische Getränke konsumieren.
«Während der Sessionen sind wir zu den Zeiten der Ratssitzung vor Ort», bestätigt Betriebsleiter Mike Hadorn. Das Restaurant bietet Wein, Schaumwein, Bier und Spirituosen an. «Weisswein ist am beliebtesten», sagt Hadorn zu Nau.ch.
Auch Kritikfähigkeit sinkt
Im Parlament wird also gearbeitet – und gleichzeitig gerne noch das eine oder andere Glas Weisswein getrunken. Doch: Schon vergleichsweise geringe Alkoholmengen wirken sich messbar auf die Leistungsfähigkeit aus.
«Aufmerksamkeit und Konzentration sinken», sagt Monique Portner-Helfer, Mediensprecherin von Sucht Schweiz, auf Anfrage. «Bereits bei 0,2 bis 0,5 Promille Blutalkoholgehalt lassen Aufmerksamkeit, Konzentration und Reaktionsvermögen nach.»
Auch die Kritikfähigkeit und die Urteilsfähigkeit sänken. «Wobei man sich subjektiv oft weniger beeinträchtigt fühlt, als man es objektiv ist.»
Bereits ab dem ersten Glas können sich laut Portner-Helfer die kognitive Leistungsfähigkeit und die Konzentration reduzieren. «Für Tätigkeiten, die Kommunikationsleistungen oder Entscheidungsfähigkeit erfordern, ist das relevant.»
Schlafqualität könne leiden
Ein tägliches Glas beurteilt Sucht Schweiz nicht automatisch als problematisch.
«Aber es kann die Leistungsfähigkeit dennoch beeinflussen», sagt die Mediensprecherin. So könne die Schlafqualität leiden.
«Dadurch sinken Energie und Konzentration am Folgetag. Potenziell besteht das Risiko, dass der tägliche Apéro zu einer festen Routine wird, die schwer aufzugeben ist.»
Parlamentarische Arbeit verlangt laut Portner-Helfer hohe Konzentration, gute Entscheidungen und Kommunikation. Alkohol – selbst in kleinen Mengen – wirkt diesen Anforderungen entgegen.
In anderen Berufen werde auch nicht getrunken
Eine ähnliche Haltung vertritt SP-Nationalrätin Andrea Zryd. «Persönlich finde ich, dass während der Arbeitszeit nicht getrunken werden sollte», sagt sie zu Nau.ch.
«So wie es in anderen Berufen ja auch der Fall ist.» Sie sei aber nicht die Sittenpolizei, fügt sie schmunzelnd an.
«Wichtig ist, dass, wo gearbeitet wird, nicht getrunken wird», sagt Zryd. Niemand wolle von einem Chirurgen mit Alkohol intus operiert werden. «Und die Bevölkerung darf erwarten, dass wir unseren Job verlässlich ausführen.»
Sie selbst trinke keinen Alkohol, sagt Zryd. «Ich finde es aber super, dass auch alkoholfreies Bier angeboten wird.»
«In einen ungesunden Konsum rutschen»
EVP-Nationalrat Marc Jost stimmt zu. «Unsere Parlamentarierinnen und Parlamentarier sollen ihre Arbeit ohne Einfluss von Alkohol leisten», sagt er.
Zwischen den Debatten konsumieren die Ratsmitglieder seinem Eindruck nach «eher selten» Wein oder Bier. «Beliebter ist das Feierabendbier.» Auch er lasse einen anstrengenden Sitzungstag hin und wieder mit einem Bier ausklingen.
Kritisch sieht Jost hingegen die zahlreichen Apéros, zu denen Parlamentarierinnen und Parlamentarier abends eingeladen werden. «Es besteht das Risiko, als Parlamentsmitglied in einen ungesunden Konsum zu rutschen.»
Freude über mehr Alternativen
Tatsächlich verriet ein 49-jähriger Nationalrat vor einem Jahr, dass es «ein paar starke Alkoholiker» gebe. Getrunken werde nach Feierabend viel, schreibt er.
«Wegen der vielen Abendtermine trinke ich selber sicher fünf- bis sechsmal pro Woche.» Und: Damit gehöre er im Rat nicht zu den Vieltrinkern.
Die Aussagen von «Thomas» veröffentlichte das Projekt Substanzielles.ch auf einer Website. Dort berichten Betroffene anonym über ihre Suchtproblematik.
Marc Jost freut es, dass einzelne Verbände an ihren Apéros inzwischen «umgeschaltet» haben. Zum Beispiel böten sie nicht nur Wasser oder Orangensaft als alkoholfreie Alternativen an. «Inzwischen gibt es vermehrt auch hausgemachten Eistee oder alkoholfreien Champagner.»
Den Ausschank von Alkohol im Bundeshaus würden aber weder Marc Jost noch Andrea Zryd verbieten. Sie begründen dies mit Festanlässen und Eigenverantwortung.
Verbot in Frankreich gefordert
Ein solches Verbot steht hingegen in Frankreich zur Debatte. Im Palais Bourbon können die Abgeordneten an der Bar La Buvette Alkohol konsumieren.
Der grüne Abgeordnete Emmanuel Duplessy forderte kürzlich ein Verbot für den dortigen Alkoholausschank.
Und dies nicht nur, weil die Abgeordneten auf Spesen «gügeln» können. Das Parlament sei immerhin ein Ort, an dem man Beschlüsse fassen sollte, argumentiert Duplessy.
Wasser oder Most störe nicht mehr
So weit würde Grünen-Nationalrätin Florence Brenzikofer nicht gehen.
«Die wenigsten Parlamentarierinnen und Parlamentarier konsumieren während der Ratssitzungen Alkohol», sagt sie. «Eher tun sie dies nach Ratsschluss oder am Rande von Sitzungen.» Dies sei der Fall, wenn zum Beispiel eine Delegation zu Besuch sei.
«Es könnte an den Apéros aber noch mehr alkoholfreie Alternativen geben», sagt Brenzikofer. Sie sei froh, dass es inzwischen nicht störe, wenn man mit einem Glas Wasser oder Most anstosse.
SVP-Nationalrat Martin Haab gibt an, «nur in Ausnahmefällen» Alkohol zu trinken. «Ich trinke sehr wenig Alkohol und im Bundeshaus sowieso nicht.» Der Alkoholkonsum liege in der Verantwortung jedes einzelnen Ratsmitglieds.
Auch wenn Haab selbst nicht zum Glas Wein greift, will er die Weinkarte des Bundeshaus-Restaurants nicht missen. «Wenn man eine Gruppe im Bundeshaus zu Besuch hat, lädt man gerne auf ein Schlückchen ein.»




















