Stimmrechtsalter 16: Dürfen Klimakids schon bald an die Urne?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Staatspolitische Kommission könnte am Donnerstag das Stimmrechtsalter 16 empfehlen.
- Während die einen mehr Teilhabe der Jugendlichen fordern, warnen andere davor.
Wann ist ein Mensch alt genug, sich eine eigene Meinung bilden zu können? Die Frage wird immer wieder debattiert. Doch bisher hat nur der Kanton Glarus ein Stimmrechtsalter von 16 Jahren. Das soll sich ändern, in der ganzen Schweiz.
Sibel Arslan, Nationalrätin Grüne und mit 39 Jahren selbst eine der Jüngeren im Parlament, hat eine entsprechende Initiative eingereicht. Am Donnerstag wird die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N) darüber diskutieren. Die Chancen des Vorstosses sind diesmal aufgrund der aktuellen Kommissionszusammensetzung intakt.
Freiheit braucht Verantwortung
Bisher scheiterten die Anläufe jeweils, ob kantonal oder national. Richtig, findet Matthias Müller. Der Präsident der Jungfreisinnigen verweist auf die zivile Mündigkeit: Alle Rechte und Pflichten haben Bürger erst mit Vollendung des 18. Lebensjahrs.
Müller sieht darin auch einen Schutz. «Anders gesagt: Mit 18 Jahren traut die Gesellschaft einem Menschen zu, uneingeschränkt am Rechtsleben teilzunehmen, sich selbständig durch Verträge zu verpflichten, zu heiraten, usw. Ein mündiger Mensch muss für die Dinge, die er tut, einstehen, er muss dafür die Verantwortung übernehmen. Dies muss zwingend auch mit Blick auf das Stimm- und Wahlrecht gelten.»
Die Alten sind in der Überzahl
Dem widerspricht Laurin Hoppler von der IG Stimmrechtsalter 16. Sechzehnjährige müssten schon in diesem Alter Entscheidungen treffen, die ihren Lebensweg bestimmen.
«Also sollten sie auch das Recht haben, politisch mitzubestimmen. Zudem kommt, dass der Medianwählende in der Schweiz 57 Jahre alt ist. Das heisst, der Teil der Bevölkerung, der über 57 Jahre alt ist, hat das gleiche politische Gewicht, wie die unter 57-Jährigen.» Jugendliche werden also heute benachteiligt, so Hoppler.
Falsch, findet Matthias Müller. Mit Jugendparlamenten, Jungparteien, Unterstützung von Aktionen könnten Jugendliche den politischen Prozess namentlich auch auf eidgenössischer Ebene schon heute wesentlich mitprägen. Er warnt davor, die Generationen gegeneinander auszuspielen und sie als einheitlichen Block zu sehen. «Im Gegenteil: Es ist wohl vielmehr so, dass gerade Ältere an die Zukunft ihrer Kinder und Enkelkinder denken und dies bei Abstimmungen und vor allem auch bei Wahlen entsprechend zum Ausdruck bringen.»
Er findet es zudem willkürlich, die Grenze bei 16 Jahren setzen zu wollen, liegt sie doch bei etlichen anderen Pflichten und Rechten bei 18 Jahren. Andernfalls könne das Stimmrechtsalter auch gleich auf 15 oder 14 Jahre gesenkt werden. Für Hoppler ist es möglich, dass diese Frage in Zukunft tatsächlich aufkommen könnten. Doch: «Aus entwicklungspsychologischer Sicht ergibt Stimmrechtsalter 16 Sinn, weil in diesem Alter das strategische Denken voll entwickelt ist.»
Sollen Jugendliche bereits ab 16 Jahren abstimmen und wählen können?
Kommen mit Stimmrechtsalter 16 die Klimakids an die Urne?
Welchen Einfluss auf Abstimmungen und Wahlen würde ein Stimmrechtsalter 16 aber haben? Wenig, glaubt Laurin Hoppler. «Da Jugendliche nun eine wichtigere politische Zielgruppe sind, wird sich die Politik auch mehr bemühen müssen, junge Menschen anzusprechen und ihren Vorstellungen mehr Beachtung schenken.» Das motiviere wiederum die neue Generation, sich aktiver einzubringen.
Mehr Zulauf also für den Präsidenten der Jungfreisinnigen? Müller relativiert. «Das politische Interesse hängt keinesfalls davon ab, ob man mit 16 Jahren bereits abstimmen kann.» Nicht nur in Jungparteien könnten Jugendliche wertvolle Polit-Erfahrungen sammeln und Einfluss nehmen.
Laurin Hopper hofft, dass die SPK am Donnerstag die Tür für noch mehr Einfluss für 16- bis 18-Jährige öffnet. «Fest steht: Es wird eine knappe Entscheidung!»
Die Frage, die bisher übrigens unbeantwortet blieb, lautet: Wann ist ein Mensch zu alt, sich eine eigene Meinung bilden zu können?