Trotz Versprechen vor den Bundesratswahlen: Daniel Jositsch hat nicht am Rednerpult erklärt, er sei nicht Kandidat. Das verstehe noch einer!
SP-Ständerat Daniel Jositsch (Mitte) plaudert zwischen den Wahlgängen vergnügt mit GLP-Ständerätin Tiana Moser (links) und GLP-Nationalrat Martin Bäumle (mit dem Rücken zur Kamera). - Das Schweizerische Parlament

Das Wichtigste in Kürze

  • Unverständnis im Parlament: Warum hat sich Daniel Jositsch nicht zu Wort gemeldet?
  • Dieser beging den gleichen «Fehler» (Zitat Jositsch) wie vor einem Jahr.
  • Theorien, was dahintersteckt, kursieren dagegen durchaus. Ein Kommentar.
Ad

Wäre Daniel Jositsch ein guter Bundesrat geworden? Wahrscheinlich schon. Das kann man so sicher sagen wie bei den aktuell amtierenden Bundesräten vor ihrer Wahl. Das scheint auch für viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger und zahlreiche Mitglieder des Parlaments ein klarer Fall zu sein.

Hätte Jositsch auf eine Wahl zum Bundesrat verzichten sollen?

Doch nun gibt Daniel Jositsch Rätsel auf. Er hat bei den Bundesratswahlen vom Mittwoch nicht das Wort verlangt und am Rednerpult proklamiert: «Nein, ich stehe nicht zur Verfügung.» Entgegen allen Beteuerungen im Vorfeld, entgegen aller Asche, die er – nach dem exakt gleichen Fauxpas vor einem Jahr – auf sein markantes Haupt gestreut hat.

Kein Verständnis bei Freund und Feind

Dass Jositsch stattdessen auf seinen vier Buchstaben hocken blieb, löst sowohl bei Befürwortern wie Gegnern Kopfschütteln aus. Insofern bestünde also für einmal Einigkeit, selbst wenn je länger je weniger klar ist, wer nun in welches Jositsch-Lager gehört.

SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf im Interview zum Verhalten ihres Parteikollege Daniel Jositsch während den Bundesratswahlen. - Nau.ch

Denn in jedem Szenario hat sich Daniel Jositsch keinen Gefallen getan, selbst wenn er wider Erwarten sogar gewählt worden wäre. Selbst in der SVP, die wohl die meisten Jositsch-Stimmen beisteuerte, dominiert Verständnislosigkeit. Selbst diejenigen in der SP-Fraktion, die gegen seine Kandidatur waren, haben nun Mitleid mit seinen Unterstützerinnen aus dem Kanton Zürich: Nationalrätin Priska Seiler Graf etwa, die darauf vertraut hat, dass sich der Dani diesmal schon genossenschaftlich verhalten werde. Sie steht nun mit abgesägten Beinkleidern da.

Seiler Graf Daniel Jositsch
Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch, rechts, fotografiert die Journalisten, neben Nationalrätin Priska Seiler Graf und Kantonsrat Andreas Dauru, bei der Lancierung seiner Bundesratskandidatur, am 5. September 2023 in Zürich. - keystone

Einen Vorteil für Jositsch kann niemand ausmachen; SP-Ständerat Carlo Sommaruga wirft im zwar vor, die eigenen Interessen über diejenigen der Partei oder gar des Landes gestellt zu haben. Doch worin Jositschs Interesse liegen soll, bleibt schleierhaft. Ausser, dass er so einen Bruch mit der Partei provoziert, weil er, als überparteilich populärer Ständerat, «es sich leisten kann».

Mit Händen und Füssen gegen Handküsse

Nur: Als Parteiloser wäre er im Ständerat etwas aufgeschmissen, würde bei der Verteilung der Kommissionssitze übergangen. Denn er kann sich nicht wie früher Thomas Minder der SVP-Fraktion anschliessen. Die Grünliberalen wehren sich ebenfalls gegen jegliche Annäherungsversuche.

Interview mit dem Präsidenten der GLP, Jürg Grossen, zur Rolle von Daniel Jositsch in Bezug auf die Grünliberalen. - nau.ch

Zwar wäre man politisch nicht so weit entfernt und hat Jositschs ehemalige Lebenspartnerin Chantal Galladé mit Handkuss von der SP übernommen. Doch hätte der Kanton Zürich dann plötzlich zwei GLP-Ständeräte. Und Jositsch würde bei den nächsten Wahlen zur Konkurrenz für Tiana Moser.

Sonnenkönig, bis der Arzt kommt

Diejenigen im Parlament, die Daniel Jositsch schon länger kennen, wagen es immerhin, über seine Beweggründe zu spekulieren. Zum einen sei er halt der hochangesehene Strafrechtsprofessor, der bekanntlich immer Recht hat. Also hat er auch Recht, dass er Bundesrat werden sollte. Nun sind ihm aber seine eigenen Fauxpas, die damit ausgelösten menschlichen Emotionen und die nicht immer streng logische Seite der Politik in die Quere gekommen.

Wird Daniel Jositsch aus der SP austreten?

Weil er ja, aus seiner Warte, recht hat, musste er auch nicht aufstehen und zum Rednerpult schreiten. Die andere Insider-Interpretation ist an sich gleich, nur umgekehrt. Statt Rationalität bestimmt die Emotionalität das Handeln: Jositsch sei nach seiner bereits zweiten Nicht-Nomination in seinem Stolz gekränkt. Sein schweigsamer Nicht-Verzicht sei darum die Retourkutsche an die SP, für die er doch so viel getan habe. Nun würde er ihr aus Eigensinn aber Schaden zufügen.

Carlo Sommaruga über seinen Sitznachbar Daniel Jositsch. - Nau.ch

Jositsch als etwas zwischen Sonnenkönig («Nach mir die Sintflut») und Besserwisserboy («Du weisst nicht nur alles, Du weisst alles besser / Dein Verstand ist schärfer als ein Schweizer Messer»). Der Sonnenkönig ist natürlich Ludwig XIV., dessen Meriten umstritten sind. Der Besserwisserboy stammt natürlich von der Band «Die Ärzte», die gegründet, verboten, aufgelöst, neugegründet, pausiert und wiedervereinigt wurden.

Ausserdem haben sie ein Album veröffentlicht namens «Nach uns die Sintflut». Da könnte also noch sehr viel mehr auf die SP zukommen als ein bisschen frostiges Klima für Ständerat Carlo Sommaruga. «Es ist kalt», klagt dieser bei Nau.ch – denn er ist im Ständeratssaal Banknachbar von Daniel Jositsch.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Priska Seiler GrafChantal GalladéThomas MinderTiana MoserBundesratParlamentStänderatArztGLPSVPSPDaniel Jositsch