Konkordanz, Stabilität, Abwahlverbot: Begründungen, warum die Grünen keinen Sitz im Bundesrat erhalten, gibt es einige. Klar ist: Das System braucht ein Update.
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Der Bundesrat entscheidet, ob und wie er die Fluggesellschaften vor den Auswirkungen der Coronakriese schützen will. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Bundesrat vertritt noch gut zwei Drittel der Wählenden – so wenig wie noch nie.
  • Reformideen zur Bundesratswahl und -Zusammensetzung schiessen wie Pilze aus dem Boden.
  • Bisher scheiterten jedoch sämtliche Änderungsanträge.

Ein Bundesrat wird von der Vereinigten Bundesversammlung gewählt. Er bleibt so lange im Amt, wie er will. Und er tritt zurück, wenn er keine Lust mehr dazu hat. So war es bisher Usus.

Denn über die genauen Regeln macht weder die Bundesverfassung noch das Aide-Mémoire – eine Sammlung von Verhaltensregeln für Bundesräte – Vorschriften. Nun stehen dennoch verschiedene Reformideen zur Diskussion.

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Die Vertretung der Wahlbevölkerung im Bundesrat nimmt weiter ab. - Nau

13 Prozent Wähleranteil, 0 Prozent Regierungsbeteiligung

Denn: Die Bundesratswahlen sorgten für Debatten über das System Bundesrat. Dass die Grünen nach Erreichen von über 13 Prozent Wähleranteil einen Anspruch auf einen Regierungssitz haben, bestritt kaum jemand. Doch die Idee, einen amtierenden Bundesrat abzuwählen, war noch weniger beliebt.

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Grünen-Präsidentin Regula Rytz hatte bei ihrem Angriff auf FDP-Bundesrat Ignazio Cassis keine Chance. - Keystone

Gemäss Grünen-Präsidentin Regula Rytz werde der Bundesrat durch die frühzeitigen Rücktritte faktisch bereits während der Legislatur erneuert. Wolle man verhindern, dass Parteien, die einen legitimen Sitzanspruch stellen, einen amtierenden Bundesrat attackieren müssen, «müsste man eine Regel haben, dass Bundesräte etwa eine Amtszeitbeschränkung haben und dass sie nicht während der Legislatur zurücktreten.»

Amtszeitbeschränkung für Bundesrat

Der Parteichef der CVP, Gerhard Pfister, macht sich ebenfalls für eine Beschränkung der Amtszeit stark. Acht Jahre seien genug. Pfister will dadurch auch dem Umstand Rechnung tragen, dass die Parteienlandschaft in der Schweiz immer fragmentierter wird. Die CVP, Grüne, FDP und die SP halten je zwischen 11 und 17 Prozent.

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Die Vertretung im Bundesrat und die Wähleranteile der Parteien entsprechen sich mehr schlecht als recht.
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Der Wähleranteil der Parteien in Prozent im Verhältnis zu den Sitzen im Bundesrat.

Pfister will den Bundesrat zudem auf neun Mitglieder erweitern. Eine Idee, für welche bereits FDP-Nationalrat Kurt Fluri, alt CVP-Ständerat Filippo Lombardi oder SP-Präsident Christian Levrat weibelten.

Kein Rücktritt während laufender Legislatur

Wann soll der Bundesrat gewählt werden? Der parteilose Ständerat Thomas Minder schlug 2011 vor, das neu gewählte Parlament erst ein Jahr arbeiten zu lassen, bevor es den Bundesrat wählt. Die Wahl direkt nach den Parlamentswahlen verleite dazu, die Wähleranteile stur in der Regierung abbilden zu wollen – was im Bundesrat jedoch nicht nötig sei.

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Ständerat Thomas Minder zog seine Parlamentarische Initiative 2012 zurück. - Keystone

Wie soll der Bundesrat gewählt werden? Die Forschenden am Institut für Politikwissenschaft der Uni Bern bringen eine Blockwahl ins Spiel. Alle sieben Bundesräte würden in einem Wahlgang gewählt – die Parteien hätten sich vor der Wahl auf eine oder mehrere Siebnerlisten zu einigen. Eine Blockwahl statt eine sequenzielle Wahl nach Anciennität würde die Konkordanz stärken. so die Argumentation.

Vertrag zwischen Parteien und Bundespräsidium über mehrere Jahre

Die Konkordanz lag 2014 auch alt Bundesrat Arnold Koller am Herzen, als er einen sogenannten «Konkordanz-Vertrag» vorschlug. Da die Konkordanz im Bundesrat nicht mehr spiele, müsse sie über einen Vertrag zwischen den wählerstärksten Parteien wieder zum Tragen kommen. Darin hätten sie die ausgehandelten Kompromisse zu den wichtigen Vorlagen festzuhalten, so Koller.

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Arnold Koller (CVP) war von 1987 bis 1999 Bundesrat. Seine Nachfolgerin wurde Ruth Metzler. - Keystone

Politikwissenschaftler Claude Longchamp schlug in diesem Jahr – in Anlehnung an alt Bundesrat Moritz Leuenberger – vor, dass der Bundespräsident vier statt nur ein Jahr im Amt sein soll. Das sorge für mehr Konstanz und damit eine bessere Führung der Landesregierung.

Longchamp – der auch über eine Reform der Zauberformel nachdenkt – stellte vor allem beim EU-Dossier ein Führungsvakuum fest. Ein über vier Jahre amtender Bundespräsident könnte nicht nur hier eine schlagkräftigere Strategie entwickeln – und umsetzen.

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