Nationalrat streitet über Schweizer Antwort auf US-Zölle
Die Zusatzzölle der USA führen zu politischen Spannungen zwischen den Parteien im Nationalrat. Eine Debatte zeigt deutliche Differenzen.

Angesichts der von den USA verhängten Zusatzzölle öffnen sich im Nationalrat parteipolitische Gräben. Das hat die Debatte über Interpellationen der Fraktionen von SP, Mitte, FDP, Grünen und GLP in der grossen Kammer am Mittwoch deutlich gemacht.
Das Büro des Nationalrats hatte die Vorstösse in der ersten Woche der Sommersession für dringlich erklärt. Entscheide hatte die grosse Kammer keine zu fällen.
US-Präsident Donald Trump hatte Anfang April einen weltweiten pauschalen Zollsatz von zehn Prozent auf Importe in die USA angekündigt. Für Einfuhren von Stahl und Aluminium gilt mittlerweile ein Satz von 50 Prozent.
Zusätzlich sollten länderspezifische Zusatzzölle kommen – im Fall der Schweiz solche von 21 Prozent. Der US-Präsident setzte diese Zusatzzölle aber wenig später für neunzig Tage aus. Am 9. Juli läuft diese Frist aus.
Die FDP begrüsste ausdrücklich, dass die Schweiz einen Dialog mit Washington habe in Gang setzen können. Sie wollte vom Bundesrat aber unter anderem wissen, was der Bundesrat mittel- und langfristig tue, um die von der Trump-Regierung ausgehenden Unsicherheiten für die Unternehmen in der Schweiz abzudämpfen.
FDP-Fraktionschef Damien Cottier (NE) sagte, die Art, wie die US-Regierung die Zölle berechnet habe, sei unverständlich. Der Bundesrat habe in dieser Lage den «Weg der Pädagogik» gewählt. Er verwies auf die grosse Bedeutung von Schweizer Investitionen in den Vereinigten Staaten.
Wermuth: Trump verkörpert einen neuen Faschismus
Kurzfristig sei es sicher richtig, wenn die Handelsdiplomatie versuche, die Schäden in Grenzen zu halten, sagte Beat Walti (FDP/ZH). Falsch und gefährlich wären dagegen «populistische Reflexe», die den Schweizer Unternehmen noch mehr schadeten. Vielmehr brauche es bessere Standortbedingungen.
Die Schweiz müsse konkret unnötige Regulierung abbauen und die finanzielle Gesundung der Altersvorsorge sicherstellen.
Einen anderen Ton schlug die SP-Fraktion an. Ihre Interpellation trug den Titel «Beugt sich der Bundesrat vor autoritären Regierungen, anstatt die Interessen der Schweizer Bevölkerung zu verteidigen?». Dem Bundesrat warfen die Sozialdemokraten vor, sich vorschnell auf Trumps Spiel eingelassen zu haben.
Trump verkörpere einen neuen Faschismus, sagte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (SP/ZH). Dieser sei das Ergebnis multipler Krisen. Die heutige Zeit fordere von der Schweiz eine Entscheidung: «Stehen wir auf der Seite der Oligarchie oder auf der Seite der Demokratie?», fragte er rhetorisch. Die Schweiz dürfe nicht die Neutralität vorschieben, um Geschäfte zu machen.
Die Mitte-Fraktion verlangte Auskunft über den Umfang der volkswirtschaftlichen Schäden durch die Zusatzzölle – und zu möglichen Entlastungsmassnahmen.
«Wie bleibt die Schweiz in einer destabilisierten Welt wirtschaftlich souverän und wettbewerbsfähig?», fragte Elisabeth Schneider-Schneiter (Mitte/BL). Es brauche eine Standortstrategie etwa für die Pharmaindustrie.
Schneider-Schneiter warb für die neuen Verträge mit der EU und den Erhalt der Personenfreizügigkeit, die die Rekrutierung von Fachkräften ermögliche.
GLP: Beziehungen zur EU stärken
Die Grünliberalen äusserten die Befürchtung, Trump könnte Zusatzzölle trotz Schweizer Konzessionen ohne Vorwarnung wieder einführen oder erhöhen. Zudem betonte die GLP, nun gelte es, die Beziehungen zur EU zu stärken.
Céline Weber (GLP/VD) unterstrich, die Antwort der Schweiz auf die wirtschaftlichen Herausforderungen könne nicht die Subventionierung einzelner Branchen sein. Stattdessen forderte sie weniger bürokratischen Aufwand für Unternehmen.
Die SVP reichte keine Interpellation ein, äusserte sich aber im Rahmen eines Fraktionsvotums. Die Schweiz habe ein klares Interesse, die Gespräche mit den USA zum Abschluss zu bringen, sagte Franz Grüter (SVP/LU). «Es geht um viel: für unsere Wirtschaft, für unseren Wohlstand und für unsere Handlungsfähigkeit in einer zunehmend fragmentierten Welt.»
Um Grundsätzliches drehte sich die Interpellation der Grünen. Sie warfen dem Bundesrat vor, sein aussenpolitischer Kurs sei inkohärent. Beispielsweise biete man Trump-nahen Tech-Giganten zusätzliche Verträge an, statt mit der EU bei der Regulierung von Tech-Plattformen zusammenzuarbeiten.
Zudem vertrete die Landesregierung eine pro-israelische Politik, statt Völkerrechtsverletzungen durch Israels Armee entgegenzutreten.
Vielzahl an Zwischenfragen betraf Nahost-Konflikt
Im Gazastreifen hungerten zwei Millionen Menschen, sagte Sibel Arslan (Grüne/BS). Die Situation sei untragbar. Die Schweiz dürfe dazu nicht schweigen. Ähnlich äusserte sich Farah Rumy (SP/SO) namens der SP-Fraktion.
Wirtschaftsminister Guy Parmelin verwies im Rat insbesondere auf die laufenden Bemühungen des Bundesrats im Zollstreit. Die Machtpolitik gewinne in den internationalen Beziehungen an Bedeutung, erklärte er.
Dies sei alarmierend. Der Bundesrat hatte Ende Mai einen Entwurf für ein Verhandlungsmandat zu Handels- und Wirtschaftsfragen mit den USA verabschiedet. Die Aussenpolitischen Kommissionen beider Räte hiessen das Mandat Anfang Juni gut.
Eine Vielzahl an Zwischenfragen an den Wirtschaftsminister von Vertreterinnen und Vertretern der Linken betraf den Nahost-Konflikt. Parmelin sagte, der Bundesrat sei bestürzt über das menschliche Leid im Gazastreifen.
Bei der Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der Gewährleistung humanitärer Hilfe bestehe kein Ermessensspielraum. Aussenminister Ignazio Cassis war bei der Nationalratsdebatte nicht zugegen.