Um die Maskenpflicht an Schulen wird landauf, landab gestritten. Die Kinderärzte haben sich klar positioniert. Aber ist auch alles klar?
Maskenpflicht Schule Fluntern Coronavirus
Klassenlehrerin Amanda Zürcher spricht mit den Kinder mit Atemschutzmasken im Unterricht im Schulhaus Fluntern in Zürich, am 25. Januar 2021. Schüler ab der 4. Klasse mussten Masken tragen, um die Ausbreitung neuer Virus-Varianten einzudämmen. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Verband der Kinderärzte spricht sich gegen die Maskenpflicht in Schulen aus.
  • Zumindest wird dies so interpretiert, doch die Erläuterungen sind fehler- und lückenhaft.
  • In einem nie veröffentlichten Statement mit der Taskforce wird die Haltung relativiert.

Sollen Schüler Masken tragen, Masken tragen müssen? Ja, je nach epidemiologischer Situation schon, sagen die einen, vorwiegend Epidemiologen. Nein, sagen die anderen, zitieren Studien, wonach Masken nichts nützen würden und die Kinder nur unnötig belasteten. Wem soll man glauben?

Wahrscheinlich ist es wie immer: Beide Seiten haben recht, der Widerspruch entsteht bloss in unseren Köpfen. Noch schwieriger wird es allerdings dann, wenn Aussagen nicht mehr überprüft werden und für den Laien kaum mehr nachzuvollziehen sind. So geschehen bei den Kinderärzten.

Kinderärzte im Zentrum der Maskendebatte

Gegner der Maskenobligatorien an Schulen stürzten sich Mitte September auf den Newsletter des Verbands Pädiatrie Schweiz. Besorgt um den kantonalen Flickenteppich, der Eltern verunsichert, hielt man gemeinsam mit Scolarmed und Kinderärzte Schweiz ein paar Eckpunkte fest. Denn medizinisch seien die für Kinder belastenden Massnahmen nicht gerechtfertigt.

Alain Di Gallo Kinderärzte
Alain Di Gallo, Direktor der Universitären Psychiatrischen Klinik für Kinder und Jugendliche und Mitglied der Taskforce des Bundes, spricht an einem Point de Presse zu Covid 19, am Dienstag, 21. September 2021. - Keystone

Damit befand sich Pädiatrie Schweiz im Widerspruch zur Taskforce, die Testen, Masken, CO2-Sensoren und Lüften für Schulen empfiehlt. Zwar gibt auch die Taskforce zu bedenken, dass Masken die Wahrnehmung von Emotionen einschränken können. «Gleichzeitig ist aber der Vorteil der deutlich reduzierten Übertragungsgefahr von Schutzmasken mehrfach erwiesen worden», sagt Taskforce-Mitglied Alain Di Gallo. Der Kinderpsychiater und Klinikdirektor sitzt als Vertreter der Kinderärzte in der Taskforce.

Was wollen uns die Kinderärzte sagen?

Nun hat der Verein «Lehrernetzwerk» in den Kantonen Zürich und Aargau Klagen und Beschwerden eingereicht gegen die Maskenpflicht an Schulen. Zur Begründung wird auf die Angaben von Pädiatrie Schweiz verwiesen. Zeit also, deren Argumentation nachzuvollziehen, schliesslich erhalten sie keine Plattform wie die Taskforce. Nur: Als Laie wird man oft nicht wirklich schlau aus den Aussagen und Quellennachweisen.

Website Pädiatrie Schweiz Kinderärzte
Ausschnitt aus der Website des Verband Pädiatrie Schweiz, der die Kinderärzte in Spitälern und Praxen der ganzen Schweiz repräsentiert. - Screenshot paediatrieschweiz.ch

Das liege daran, dass sich der Newsletter an ein Fachpublikum richte, nämlich die Verbandsmitglieder, heisst es auf Anfrage. Allerdings wird der Newsletter jetzt von Laienpublikum herumgeboten, wohingegen man von den kinderärztlichen Fachleuten praktisch nichts hört. Denn die meisten von Nau.ch gestellten Fragen bleiben unbeantwortet.

Offene Fragen und falsche Links

Steht der Newsletter vom September nicht im Widerspruch zum Newsletter vom Februar, wo Pädiatrie Schweiz Maskentragen in Schulen empfahl? Wenn sich «das altersspezifische Inzidenzmaximum mit zunehmender Dauer der Welle nach unten verschiebt», werden immer mehr immer jüngere Personen angesteckt? Ist das jetzt ein Grund für oder gegen das Maskentragen an Schulen?

Zwar sind die meisten Punkte mit Quellenlink versehen, doch in diesem Fall liefert dieser mehr Fragen als Antworten. Er führt zur BAG-Seite mit den Impf-Informationen für Gesundheitsfachpersonen. Auch der Link, der begründen soll, warum Maskenobligatorien (jetzt) zu hinterfragen seien, führt zum BAG. Die Seite «Informationen zur aktuellen Lage» liefert aber einfach nackte Fallzahlen, Angaben zu maskenmässig verhinderten Ansteckungen sucht man vergeblich.

Widersprüche, die keine sind

Die beiden letzten Rätsel werden von Pädiatrie Schweiz immerhin gelöst: Tatsächlich sei leider ein Fehler unterlaufen. Beziehungsweise deren zwei, nur hat das bisher weder die pädiatrischen Newsletter-Adressaten noch das Lehrernetzwerk gestört. Der zweite Link gehört zum ersten Punkt. Zum zweifelhaften Nutzen von Masken an Schulen gehört dagegen eine Studie des amerikanischen CDC.

CDC Handbuch Schulen Masken
Titelseite des CDC-Handbuchs für das sichere Betreiben von Schulen während der Covid-Pandemie, in der Version von August 2021
CDC Massnahmen Schule Masken
Illustration der Empfehlungen des CDC für Schulzimmer: Lüften, Händewaschen, Distanz halten, Masken und Luftreinigung.

In dieser zeigte sich, dass maskentragende Lehrer an Schulen im Bundesstaat Georgia einen Unterschied bei den Ansteckungen ausmachten. Bei maskentragenden Schülern war der Unterschied nicht statistisch signifikant. Die Übungsanlage und Maskendisziplin sei aber auch nicht optimal gewesen; das CDC empfiehlt deshalb Masken an Schulen.

Die Kinderärzte gelangen aufgrund der gleichen Studie zum gegenteiligen Schluss als die Autoren selbst. Warum, und warum genau diese Studie herausgepickt wurde, wird nicht klar. Die maskenkritische Haltung von Pädiatrie Schweiz steht aber offenbar nicht im Widerspruch zur Maskenempfehlung der Wissenschaftler.

Gemeinsames Statement Taskforce Pädiatrie
Das gemeinsame Statement des Taskforce des Bundes und des Verbands Pädiatrie Schweiz vom 24. September 2021 zu Massnahmen im schulischen Bereich. - zvg

Ohne dies an die grosse Glocke zu hängen, haben Pädiatrie Schweiz und Taskforce bereits Ende September ein gemeinsames Statement formuliert. Die sich uneinigen Organisationen sind sich nämlich doch einig: Möglichst wenig Quarantäne und Schulschliessungen und gleichzeitig möglichst wenig Maskentragen. Verschickt oder anderweitig publiziert wurde das Statement, anders als der Newsletter, allerdings nie. Als Laie wird man erneut nicht wirklich schlau, aber es wäre irgendwie gut, man würde es.

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