Grüne und GLP konnten 2019 massiv zulegen. Die Messlatte ist dementsprechend hoch. Ohne Bestätigung geht beim Bundesrat gar nichts, sagt Claude Longchamp.
Politologe Claude Longchamp zieht nach der halben Legislatur Zwischenbilanz bei den Grünen und der GLP. - Nau.ch
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Das Wichtigste in Kürze

  • Claude Longchamp analysiert für Nau.ch die erste Hälfte der Legislatur-Periode.
  • Das CO2-Nein wird bei den Grünen zum Strategiewechsel führen müssen.
  • Die GLP hingegen wird sich mit Digitalisierungsfragen profilieren können.
  • Einen Bundesratssitz werden die beiden Parteien wohl nicht gewinnen können.

Nach den Wahlen 2019 war das Parlament grüner, jünger und weiblicher. Die Grüne Partei und die Grünliberalen konnten viele Wählende für sich gewinnen: Erstere haben vor zwei Jahren sechs Prozentpunkte zugelegt. Dementsprechend sei die Messlatte für die nächsten Wahlen sehr hoch, sagt Politologe Claude Longchamp.

Grüne 2019 Fraktion
Die erste Fraktionssitzung der Grünen nach den Wahlen 2019. In der Mitte sitzt Präsident Balthasar Glättli, rechts neben ihm Generalsekretärin Regula Tschanz. Links begrüssen sich Adèle Thorens Goumaz und Aline Trede.
Mäder Bäumle
Der frischgewählte Nationalrat Jörg Mäder (ZH) (l.) und Martin Bäumle feiern nach den Wahlen in 2019.
glp Corina Gredig
2019 wurden auch viele Grünliberale neu in den Nationalrat gewählt: Zum Beispiel Corina Gredig aus dem Kanton Zürich.

Sicher sei, dass das Nein zum CO2-Gesetz die erste grossen Weichenstellung dieser Legislaturperiode darstelle. «Das wird bei den Grünen zu Strategiediskussionen führen», so Longchamp. Die GLP hingegen könne sich weiterhin gut mit der Digitalisierungsproblematik profilieren. Vor allem die Corona-Krise habe die Wichtigkeit der Modernisierung innerhalb der Verwaltung offengelegt.

Allgemein hätten die Grünen eine schwierigere Aufgabe: «Sie wollen die Friedensbewegung, die Frauenbewegung und die Umweltbewegung ansprechen.» In diesen Themen sei die SP die grosse Konkurrenz, erklärt Longchamp.

Claude Longchamp
Politologe Claude Longchamp im Gespräch mit Nau.ch. - Nau.ch

In Bezug auf die Coronapolitik hätten die beiden grünen Parteien Mühe gehabt, sich zu profilieren; sie hätten schliesslich keine Vertretung im Bundesrat. Ob das 2023 verändert werden könne, bezweifelt Longchamp.

Exekutiverfahrung fehlt bei Grünen und Grünliberalen

Zwar hätten die Grünen und die Grünliberalen Aushängeschilder, die sich in der ersten Hälfte der Legislatur profilieren konnten. Letztere hätten beispielsweise den ehemaligen Präsidenten Martin Bäumle oder Nationalrätin Kathrin Bertschy. Sie habe mit der «Ehe für alle» einen grossen Erfolg gelandet.

Bäumle GLP
Der ehemalige Präsident der Grünliberalen Martin Bäumle (ZH) im Nationalratssaal.
GLP «Ehe für alle»
Die grünliberale Nationalrätin Kathrin Bertschy (BE) hat den Vorstoss für die «Ehe für alle» im Jahr 2013 im Parlament eingereicht.

Die Grüne Sibel Arslan wiederum habe das Thema Stimmrechtsalter 16 im Parlament salonfähig gemacht. «Natürlich wird man sich fragen: Ist jemand von all diesen Personen fähig, Bundesrat zu werden?» Das bezweifelt der Politikwissenschaftler. Dafür fehle allen die Exekutiv-Erfahrung.

Sibel Arslan
Die grüne Nationalrätin Sibel Arslan (BS) im Nationalrat. Sie hat einen Vorstoss zum Stimmrechtsalter 16 eingereicht.
Bernhard Pulver Grüne
Der Grüne Bernhard Pulver hätte laut Claude Longchamp als Einziger eine Chance auf einen Bundesratssitz. Pulver war Berner Regierungspräsident, bis er 2017 seinen Rücktritt bekanntgab.

Einzig ein Outsider von Balthasar Glättlis Partei könnte allenfalls den Sprung in das Gremium schaffen: Bernhard Pulver, ehemaliger Regierungsrat im Kanton Bern und jetziger Präsident der Insel-Gruppe. Pulver müsste sich jedoch intern gegen eine Frau durchsetzen – und extern wohl gegen die SP.

Werden die Grünen 2023 einen Bundesratssitz ergattern können?

Für einen grünen Bundesratssitz müsste es einen Rücktritt entweder bei den Sozialdemokraten oder der FDP geben, sagt der Politologe. Ausserdem müsse sich der Wahlerfolg von 2019 wiederholen: Genau weil die Messlatte aber so hoch sei, werde man schnell von einer Niederlage sprechen.

Die Grünliberalen könnten noch weniger auf einen Sitz im Bundesrat hoffen. Ihnen fehle der Leistungsausweis bei Majorzwahlen fast vollständig.

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