Bundesrat Albert Rösti beruft seinen SVP-Kollegen Walter Wobmann in die Lärmschutz-Kommission. SP-Nationalrätin Gabriela Suter schlägt Alarm.
Walter Wobmann Verhüllungsverbot
Walter Wobmann, Initiator der Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot», gibt Nau.ch ein Interview, am 7. März 2021, in Bern. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der ehemalige SVP-Nationalrat Walter Wobmann wird Mitglied der Lärmschutz-Kommission.
  • SP-Nationalrätin Gabriela Suter will wissen: Hat Wobmann entsprechende Qualifikationen?
  • Bekannt ist lediglich, dass er der oberste Töff-Lobbyist ist.

«Es sind über 1,1 Millionen Menschen in der Schweiz von Strassenlärm betroffen», sagt SP-Nationalrätin Gabriela Suter. Der Präsidentin der Lärmliga Schweiz ist wichtig, dass diese Menschen geschützt werden, denn sonst drohten gesundheitliche Schäden: «Herzkreislauferkrankungen, aber auch Diabetes, psychische Probleme wie Depressionen und Konzentrationsschwäche. Insbesondere bei Kindern ist das ganz gravierend.»

Umso irritierter ist Suter über die zwei Neuzugänge in der Eidgenössischen Kommission für Lärmbekämpfung (EKLB). Zum einen wären dies Olivier Fantino, Geschäftsführer des Verbandes Strasseschweiz und verheiratet mit FDP-Ständerätin Johanna Gapany. Zum anderen aber insbesondere Walter Wobmann: Ehemaliger SVP-Nationalrat, Gegner von Minaretten und Burkas, vor allem aber auch oberster Töff-Fahrer der Schweiz.

«Verträgt sich nicht»: Ehemalige Politiker als Experten

Nicht, dass das verboten wäre. Nur möchte Suter vom zuständigen Bundesrat Albert Rösti wissen, was denn die wissenschaftliche Qualifikation dieser beiden Herren sei. «Die bisherigen Mitglieder der Kommission haben alle einen wissenschaftlichen Hintergrund», formuliert sie ihre Zweifel diplomatisch. Mit gutem Grund, denn dies ist quasi die Existenzberechtigung der EKLB: ausserparlamentarische Kommissionen können unter anderem dann eingesetzt werden, wenn die Aufgabe «besonderes Fachwissen erfordert, das in der Bundesverwaltung nicht vorhanden ist».

Gabriela Sutter Lärmschutz
Nationalrätin Gabriela Suter (SP/AG) hört der Antwort zu ihrer Frage zu, an der Sommersession der Eidgenössischen Räte, am 2. Juni 2022. - keystone

Deshalb sitzen in der Kommission Ingenieure, Akustiker/Architekten, Juristen, Physiker, medizinische und sozialwissenschaftliche Expertinnen und Experten, ein Ökonom und eine Raumplanerin. Walter Wobmanns Expertise ist lediglich bekannt, dass er gelernter Automechaniker ist. Er wüsste also in der EKLB am besten, wie man Motoren leiser machen kann.

Trotzdem sagt Gabriela Suter: « Gemäss Einsetzungsverfügung hat die EKLB die Aufgabe, den Bundesrat wissenschaftlich abgestützt in Sachen Lärmschutz zu beraten. Dann verträgt es sich nicht, ehemalige Politiker und Lobbyisten in diese Kommission zu wählen.» Suter ist alarmiert – denn gerade eben hat der Ständerat entschieden, den Lärmschutz beim Wohnungsbau herunterzufahren.

Wobmann als Gegner von Lärmschutz-Vorschriften bekannt

Dass sich Walter Wobmann für leisere Motoren stark machen würde, darf auch ganz undiplomatisch bezweifelt werden. So wehrte er sich noch diesen Frühling als Präsident des Motorradfahrer-Verbands vehement gegen gewisse Änderungen der Verkehrsregeln. Allerdings erfolglos: «fortgesetztes unnötiges Herumfahren in Ortschaften», (zu) laute Lautsprecher, Kavalierstarts oder aufheulende Motoren kann die Polizei nun trotzdem büssen.

Walter Wobmann Lärmschutz
Der damalige Nationalrat Walter Wobmann (SVP/SO), links, bei der Einreichung der Petition für Schweizer Rundstreckenrennen, zusammen mit den Motorradrennfahrern Dominique Aegerter, Tom Lüthi und Jacques Cornu im Februar 2011, in Bern. - keystone

Braucht es in einer den Bundesrat beratenden Kommission aber nicht auch eine gewisse Meinungsvielfalt? Nur weil SP-Suter das Heu nicht auf der gleichen Bühne hat wie SVP-Wobmann, muss das ja nicht heissen, dass seine Ernennung falsch ist. Doch, findet Suter, denn die es gehe um Fachwissen und nicht um die Meinung der Kommissionsmitglieder: «Sie beurteilen und analysieren insbesondere die gesundheitlichen Auswirkungen, die Lärm auf die Bevölkerung hat, und geben entsprechende Empfehlungen ab.»

Gabriela Suter
Über 200 Motorradfahrer demonstrieren am 8. August 2020 mit einer Sternfahrt auf dem Gotthardpass gegen die Initiative von Nationalrätin Gabriela Suter, die ein generelles Fahrverbot für sogenannt «laute Motorräder» mit einem Standgeräusch von über 95 db fordert. - keystone

Ihre Befürchtung: «Dass die neuen Mitglieder allenfalls dann auch eine Interessensabwägung verlangen könnten.» Das ginge aber schon allein darum nicht, weil es beim Schutz der Bevölkerung gemäss Bundesverfassung gar keine Kompromisse geben könne. Mit ihrer Kritik bleibt Suter denn auch nicht lange allein. Auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister schreibt auf «X»: «Vermutlich meinte Christoph Blocher solches, als er kritisierte, in seiner ⁦⁦SVP gehe es mehr um Pöstli als um Inhalte.»

«Verpolitisierung»: Ist Bundesrat Rösti der Lärmschutz nicht so wichtig?

In der Tat scheint die Eidgenössischen Kommission für Lärmbekämpfung kein Debattierklub zu sein – dafür wäre einer der berüchtigten «runden Tische» wohl geeigneter. Sondern eine interdisziplinäre Forschungsgruppe, die das «akzeptierbare lärminduzierte Zusatzrisiko» für ischämische Herzkrankheit oder für die Sterblichkeitsrate bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen sucht. Und dann Berichte mit zehn Seiten Literaturverzeichnis erstellt.

Eidgenössische Kommission für Lärmbekämpfung
Schematische Darstellung, wie die Eidgenössische Kommission für Lärmbekämpfung ihre Empfehlung für den nächtlichen Lärm-Grenzwert für verschiedene Lärmarten wie Strasse, Bahn oder Flugzeug ermittelt. - Grenzwerte für Strassen-, Eisenbahnund Fluglärm: Empfehlungen der Eidgenössischen Kommission für Lärmbekämpfung EKLB (2021)

Stutzig macht Gabriela Suter aber nicht nur, «dass neu Personen ohne oder wenig wissenschaftliche Expertise im Bereich Lärmbekämpfung in die Kommission gewählt wurden». Sondern auch, dass die Kommission nun plötzlich 17 statt der vorgesehenen maximal 15 Mitglieder umfasst. Eine solche Überschreitung ist aber nur ausnahmsweise gestattet und begründungspflichtig.

Genau diese Begründung will Suter nun in der Fragestunde vom kommenden Montag von Bundesrat Albert Rösti hören. Für sie sieht es aktuell nach einer «Verpolitisierung der Kommission» aus. Dies verhiesse nichts Gutes: «Ich befürchte, dass Bundesrat Rösti der Lärmschutz und der Schutz der Bevölkerung vor gesundheitsschädlichem Lärm nicht so wichtig ist.»

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