Klimawandel: Beschneiungsanlagen kommen oft erst spät im Jahr zum Einsatz. Also dann, wenn Wasser und Strom knapp werden, mahnt Christophe Clivaz (Grüne/VS).
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Nationalrat Christophe Clivaz (Grüne/VS) sieht einen möglichen Interessenkonflikt um die Wasserreserven voraus: Beschneiungsanlagen kommen immer intensiver und später zum Einsatz. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Skigebiete kämpfen derzeit mit allen verfügbaren Mitteln gegen grüne und braune Hänge.
  • Aufgrund des Klimawandels kommen Beschneiungsanlagen intensiver und länger zum Einsatz.
  • Christophe Clivaz antizipiert mögliche Interessenskonflikte rund um die Ressource Wasser.

Jedes Jahr pilgern Millionen von Schneesport-Begeisterten in die schweizerischen Skigebiete, um sich im «weissen Gold» zu vergnügen. Doch die aussergewöhnlich hohen Temperaturen der vergangenen Wochen kleiden die Pisten in ein ungewohntes Gewand: Derzeit dominieren erdige Farbtöne die Szenerie im Gebirge.

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Die Schweizer Skipisten bieten derzeit einen traurigen Anblick: Vielerorts haben die Betreiber mit Schneemangel und hohen Temperaturen zu kämpfen. (Symbolbild) - Keystone

Zahlreiche Skigebiete haben mit grünen und braunen Hängen zu kämpfen: Einige Stationen in tiefer gelegenen Regionen mussten mittlerweile gar den Betrieb bis auf Weiteres einstellen. Doch auch in sogenannt «schneesicheren» Regionen blieben in der Altjahreswoche viele Lifte und Abfahrten geschlossen.

Schneekanonen kommen später zum Einsatz

Neben erheblichen wirtschaftlichen Verlusten für die Tourismusbranche könnten diese Umstände auch zu zahlreichen Nutzungskonflikten rund um die Ressource Wasser führen: In vielen Skigebieten wird das Wasser für die Beschneiungsanlagen nämlich aus denselben Vorräten gespeist, die zur Erzeugung von Wasserkraft bereitstehen. Üblicherweise findet der grosse Einsatz der Beschneiungsanlagen im November statt – wenn Energie und Wasser in genügendem Ausmass vorhanden sind.

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Bei zu hohen Temperaturen können auch moderne Schneekanonen nicht grossflächig zum Einsatz kommen. (Symbolbild) - Keystone

Doch bei zu hohen Temperaturen fungieren selbst moderne Schneekanonen bestenfalls als Wasserwerfer. Dieser Umstand beschäftigt den Walliser Nationalrat Christophe Clivaz: In Anbetracht der erwarteten Klimaentwicklung könne sich der grosse Einsatz der Beschneiungsanlagen nämlich verschieben. Dann müssten sie in einem Zeitraum betrieben werden, in welchem die Wasserkraftanlagen auf Hochtouren laufen und keinen Tropfen entbehren können.

Zu diesem Schluss kommen auch mehrere Forschungsarbeiten zur Thematik: Wegen des Klimawandels und des allgemeinen Ausbaus der Kapazitäten nimmt der Wasserverbrauch der Beschneiungsanlagen überdies in ganz Europa zu. Je nach Region dürfte sich dieser bis 2050 um 50 bis 110 Prozent steigern. Dies könne zu Nutzungskonflikten führen – insbesondere im Wallis und im Engadin, wo die Wintermonate besonders trocken sind.

Nutzungskonflikte verschärfen sich

Gegenüber Nau.ch gibt der Grüne- Nationalrat zu bedenken: «Der Zeitraum, ab welchem es kalt genug ist, um die Schneekanonen in Betrieb zu nehmen, wird immer später kommen. Das ist eine Situation, die wir in diesem Jahr erleben werden: Sobald die Temperaturen unter null sinken, werden die Beschneiungsanlagen unter Volldampf laufen, um den Mangel an natürlichem Schnee zu beheben.»

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Wenn sich die künstliche Beschneiung verschiebt, könnte dies zu Interessenskonflikten führen. (Symbolbild) - Keystone

Heute sei es deshalb notwendig, die Verfügbarkeit von Wasserressourcen nach Einzugsgebiet und Jahreszeit langfristig zu analysieren. Nur auf diese Weise könnten Wasservorräte strategisch bewirtschaftet und Konflikte verhindert werden. Der Dozent am Institut für Geografie und Nachhaltigkeit der Universität Lausanne ist überzeugt: Die Lage wird sich weiter zuspitzen.

Genügend Wasser vorhanden

Gleichzeitig gibt Clivaz zu bedenken: In der Schweiz sei prinzipiell genügend Wasser vorhanden – allfällige Nutzungskonflikte seien meist nicht auf eine eigentliche Knappheit zurückzuführen. Stattdessen stünde ein fehlerhaftes Management der vorhandenen Wassermengen am Ursprung der Konflikte. Bäche und Flüsse richteten sich nicht nach politischen Grenzen. Aus diesen Gründen müsse das Wassermanagement ganzheitlich betrachtet werden.

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Die Schweiz gilt als «Wasserschloss» Europas. Die meisten Nutzungskonflikte um die Ressource Wasser seien nicht auf eigentliche Knappheit zurückzuführen. (Symbolbild) - Keystone

Clivaz vertritt die Ansicht, dass eine regional und überregional koordinierte Infrastruktur nötig sei, die allen Nutzungs- und Schutzinteressen Rechnung trägt. Der Walliser plädiert deshalb für ein «Integriertes Wassermanagement», welches insbesondere auch die Multifunktionalität der Ressource berücksichtigt. Zu diesem Schluss kam auch das «Nationale Forschungsprogramm Nachhaltige Wassernutzung», welches die Grundlagen des Umgangs mit der Ressource definiert. Mehrere Kantone haben bereits entsprechende Wasserstrategien verabschiedet.

Zieht es Sie diesen Winter auch auf die Pisten?

Die unterschiedlichen Interessen müssten gegeneinander abgewogen werden, wobei die Nutzung der Ressource als Trinkwasser oberste Priorität habe. Danach folge der Schutz der Wasserreserven und der Schutz vor Naturgefahren – namentlich Lawinen, Hochwasser und Überschwemmungen. Schliesslich folgten die Interessen der Elektrizitätsproduktion, Landwirtschaft, Industrie und Tourismus als dritte Priorität.

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