Die politische Abstinenz der jungen Erwachsenen ist eine Schwäche der Schweizer Demokratie. Eine Analyse von Politikwissenschaftler Claude Longchamp.
Claude Longchamp
Politologe Claude Longchamp schreibt vor den Wahlen im Herbst bei Nau über Stärken und Schwächen der Schweizer Demokratie. . - Nau
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Das Wichtigste in Kürze

  • Politik-Experte Claude Longchamp schreibt über Stärken und Schwächen der Demokratie.
  • In diesem Artikel erklärt er die Politik-Abstinenz der Jungen zur Schwäche der Demokratie.

Die Klagen sind bekannt: Junge Menschen nehmen weniger an Abstimmungen und Wahlen teil als ältere. Die Statistik bestätigt es: Das mittlere Alter der Teilnehmenden beträgt heute 58 Jahre.

Die Lösung scheint somit einfach. Die Alten fordern die Jungen auf, häufiger stimmen zu gehen, dann komme es schon gut.

Alterung führt zur vermeintlichen Abstinenz

Weit gefehlt! Denn das Medianalter der Stimm- und Wahlberechtigten beträgt 53 Jahre. Würden alle Jungen gehen, würde sich das Problem nur verringern, es würde nicht verschwinden.

Abstimmung
Die Schweizer Bevölkerung hat viele Möglichkeiten zur Teilnahme am politischen Tun. - Keystone

Das hat mit der Alterung der Gesellschaft und der Zusammensetzung der Schweizern zu tun. Die Menschen werden immer älter und die Geburtenraten in Schweizer Familien sinken.

Von Wahl zu Wahl werden wir im Schnitt ein Jahr älter. Vor 2035 gibt es keine Umkehr, sagt Avenir Suisse, die Denkfabrik der Schweizer Wirtschaft.

So wird eine Rentenreform immer schwieriger. Denn wer hat, will möglichst lange nichts abgeben. Und sie werden immer zahlreicher. Umgekehrt verstehen sich Junge missverstanden, wenn es um Digitalisierung oder Klimafragen geht.

Klimastreik als Chance statt Abschreckung

Gerade die Klimafragen mobilisieren heute SchülerInnen, bisweilen gerade 18 oder 16 oder noch jünger. «Wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut», skandieren die Klima-Aktivisten. Das sollte nicht abschrecken, sondern aufrütteln!

Klimastreik
Klimastreik in Genf. - dpa

Es ist eine Chance, dass die heutigen jungen Menschen Politik wieder als kollektive Kraft verstehen, für die sie kämpfen wollen. Doch dies wird nicht zwingend zu häufigerem Abstimmen führen. Erst recht, wenn die Chancen der Jungen, real mitbestimmen zu können, dauernd sinken.

Stimmrechtsalter 16 oder erleichterte Einbürgerung für die zweite Generation von Ausländern würde ihren Anteil erhöhen. Dadurch würde ein Gegengewicht zur Alterung unserer Gesellschaft geschaffen.

«Stärken und Schwächen der Schweizer Demokratie»

Im Rahmen dieser Serie schreibt der Politikwissenschaftler und Historiker Claude Longchamp Beiträge zu den Stärken und Schwächen der Schweizer Demokratie. Die Texte erscheinen jeweils am Sonntag.

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