Christoph Blocher irritiert bei EU-Abstimmung mit Halbwahrheiten
Als Bundesrat will sich Christoph Blocher bei der Abstimmung zu den Bilateralen II auf seine Juristen verlassen haben. Diese haben das anders in Erinnerung.

Das Wichtigste in Kürze
- Bei der EU-Abstimmung ist umstritten, ob es ein Ständemehr braucht - wie schon 2004.
- Umstritten ist auch, ob damals Bundesrat Blocher dafür oder dagegen war.
- Er verweist auf ein Gutachten des Bundesamts für Justiz – in welchem das Gegenteil steht.
Die Verhandlungen zu den neuen EU-Verträgen sind seit dieser Woche offiziell abgeschlossen. Doch sorgt das Thema in der Schweiz längst nicht nur inhaltlich für Kontroversen. Allein schon wie darüber abgestimmt werden soll, ist höchst umstritten.

Der Bundesrat will das Gesamtpaket auf vier einzelne Pakete verteilen. Und: Es soll kein obligatorisches Referendum geben – was wiederum heisst, dass es kein Ständemehr braucht. Die Mehrheit der kleineren Kantone könnte so von den bevölkerungsreichen grossen Kantonen überstimmt werden.
Christoph Blocher: 2025 dafür, aber 2004 dagegen?
SVP-Doyen Christoph Blocher gefällt dies nicht. Doch wird von EU-freundlicher Seite genüsslich darauf hingewiesen: Anno 2004, bei der Abstimmung über «Schengen/Dublin», den sogenannten Bilateralen II, war Blocher gegen ein obligatorisches Referendum.
Dieser wehrt sich auf «Teleblocher»: Als damaliger Justizminister habe er eben die Haltung des Gesamtbundesrats vertreten müssen. Das Gutachten des Bundesamts für Justiz (BJ) sei zwar zu einer anderen Empfehlung gelangt, aber: «Das durfte man damals nicht sagen», so Blocher.

Nur hat gestern das BJ sein Gutachten von 2004 ausgegraben und online gestellt. Darin kommen die Juristen zum gleichen Schluss wie auch 2025 wieder: Die Bedingungen für ein obligatorisches Referendum seien nicht erfüllt.
Bundesamt für Justiz vs. Bundesamt für Justiz
Hat alt Bundesrat Christoph Blocher also gel… nicht die Wahrheit gesagt? Jein. Denn es existiert tatsächlich ein Antrag des Bundesamts für Justiz, das Abkommen von Schengen/Dublin dem obligatorischen Referendum zu unterstellen. Bestätigt sich hier also die Redensart von den «zwei Juristen, drei Meinungen»?
Auch nicht ganz. Den Antrag konnten mehrere Medien aufgrund des Öffentlichkeitsgesetzes einsehen. So wird auch klar, woher der scheinbare Widerspruch kommt.
Denn darin heisst es unter anderem: «Gemäss Ihrem Auftrag unterbreiten wir Ihnen in der Anlage den Entwurf eines Mitberichts. Darin schlagen wir vor, das Abkommen Schengen/Dublin dem obligatorischen Referendum zu unterstellen.»
Der Chef befiehlt
Hat also der damalige Justizminister Christoph Blocher einen Antrag bei seinem Bundesamt bestellt, der eine bestimmte Haltung wiedergeben sollte? Das sei «Unsinn», sagt Blocher gegenüber «Tamedia». Der Antrag entspreche den juristischen Abklärungen, an das anderslautende Gutachten will sich Blocher nicht erinnern.

Diese Darstellung sei «klar falsch», entgegnet daraufhin der damalige BJ-Vizedirektor Luzius Mader. Er hat den Antrag verantwortet und Blocher habe den Auftrag erteilt, im Bundesrat das obligatorische Referendum zu beantragen. Dem sei er «contre coeur» nachgekommen – sich an die Hierarchie zu halten, gehöre in der Bundesverwaltung eben dazu.