Ein neues Bundesgerichtsurteil zu gekürztem nachehelichen Unterhalt schlägt Wellen. Die links-grüne Sozialpolitikerin Katharina Prelicz-Huber ist empört.
Unterhalt Scheidung Bundesgericht
Nach Ende einer Ehe muss der Ex-Mann seiner Ex-Frau traditionellerweise Unterhalt bezahlen. Das Bundesgericht hat mit seinem neuen Urteil diese Konvention gestrichen. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Bundesgerichtsurteil zum Thema Unterhalt nach einer Scheidung sorgt für Kontroverse.
  • Für manche ist es die Umsetzung der Gleichberechtigung, für andere überhaupt nicht.
  • Bisher stand der Unterhalt geschiedenen Frauen fast automatisch zu.
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Ende März veröffentlichte das Bundesgericht ein wegweisendes Urteil zu nachehelichem Unterhalt: Ein Mann musste gemäss Anordnung des Zürcher Obergerichts seiner Ex-Frau über 10'000 Franken Unterhalt zahlen. Er reichte daraufhin eine Beschwerde ein und wollte den Betrag auf rund 2'000 Franken pro Monat festlegen.

Bundesgericht
Das Bundesgericht in Lausanne VD. - Keystone

Diese wurde zum Teil von fünf Bundesrichtern gutgeheissen. Obwohl sich die über 50-jährige Frau alleine um das gemeinsame Kind (11) kümmert, könne sie gut einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Das Obergericht Zürich müsse nun die weiteren Entscheide zum Unterhalt treffen.

Traditionelle Geschlechterrollen sind passé

Geschiedenen Frauen steht also nicht mehr automatisch der Unterhalt zu, mit dem sie denselben Lebensstandard weiterführen können. Zumindest, wenn es sich um eine «nicht lebensprägende Ehe» handelt. Sprich, wenn das – heterosexuelle – Paar nicht nach traditionellen Geschlechterrollen lebte.

Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass dieser Fall aufgrund der kurzen Ehe nicht lebensprägend war. Die klassische Rollenteilung habe nur ein Jahr gedauert (nach Kindesgeburt), zuvor hätten beide Ehegatten gearbeitet.

Hausfrau kopp Schweiz
Die Hausfrau soll es nach einer Scheidung nicht mehr so gemütlich haben: Hier alt Bundesrätin Elisabeth Kopp in ihrer Küche, 1984. - Keystone

In den Tamedia-Zeitungen wurde das Urteil breit diskutiert. Manche sprachen von einer «Revolution der Ehe», vom «Auslaufmodell Hausfrau», von einer «konsequenten Umsetzung der Gleichberechtigung». Doch nicht alle deuten das Urteil als eine neue Gleichstellungsära zwischen Mann und Frau. Viele Schweizerinnen sprechen von einer Entlastung des Mannes auf dem Buckel der Frau.

Entlastung des Mannes nicht gleich Gleichberechtigung

Etwa so sieht es auch die grüne Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber (ZH). «Als ich das gelesen habe, musste ich lächeln. Wo setzen wir die Gleichstellung um? Beim Lohn haben wir sie immer noch nicht», ärgert sich die Gewerkschafterin.

«Aber wenn es darum geht, einen Mann zu entlasten, der vorher nichts zur Kinderbetreuung beigetragen hat, sind wir äusserst schnell.»

Altersvorsorge
Katharina Prelicz-Huber spricht während der Frühlingsession 2021 zur Grossen Kammer. - Keystone

Idealerweise, so Prelicz-Huber, würden beide Ehepartner sich zu fünfzig Prozent beiden Aspekten widmen: Dem Haushalt und den Kindern, aber auch der Karriere. «Aber die Realität ist anders: Noch immer übernehmen Frauen den Grossteil der Kindererziehung.» Das Bundesgerichtsurteil sei «einfach eine nicht ganz fertig gedachte Gleichstellung».

Vaterschaftsurlaub
Ein Vater nimmt sich Zeit für sein Kleinkind. - Keystone

Die Frau dürfe das Kind weiterhin gratis betreuen, während sie weniger Geld erhalte. «Für den Mann hingegen ist das Urteil des Bundesgerichts angenehm», ärgert sich die Zürcherin. Der Entscheid des höchsten Gerichts im Lande müsse «sehr bekannt» werden, fügt sie hinzu, um als Warnung zu dienen.

Haben Sie nach der Geburt Ihres Kindes weiter Vollzeit gearbeitet?

«Ich sage: ‹Junge Frauen, steigt nicht aus eurem Job aus! Männer, übernehmt auch Kinderbetreuung!›», hält Katharina Prelicz-Huber fest.

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