Vor 20 Jahren kehrte Postzugräuber Ronnie Biggs heim

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Grossbritannien,

Vor 20 Jahren kehrte Ronnie Biggs von seiner Flucht um die Welt in seine britische Heimat zurück. Davor lagen eine Gesichtsoperation, Fahndungen - und ein Punk-Song.

Umstritten und verehrt: Ronnie Biggs. Foto: Renzo Gostoli/dpa
Umstritten und verehrt: Ronnie Biggs. Foto: Renzo Gostoli/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Gentleman-Gangster oder kaltblütiger Krimineller, Symbol für Unbeugsamkeit oder ein trauriger Playboy, der für Geld sein Leben verscherbelte?

Die Düsseldorfer Punkband Die Toten Hosen besang Ronald Biggs als «unseren Lieblingsflüchtling Ron», in Deutschland wurde der Krimi «Die Gentlemen bitten zur Kasse» über den legendären Postzugraub, an dem Biggs beteiligt war, 1966 zu einem der ersten Strassenfeger der jungen Fernsehnation. Noch Jahre nach seinem Tod ist Biggs (1929 bis 2013) eine umstrittene Figur.

An diesem Freitag (7.5.) ist es 20 Jahre her, dass der vielleicht berühmteste Räuber der Welt nach Jahrzehnten auf der Flucht nach Grossbritannien zurückkehrte - und für lange Zeit hinter Gefängnismauern verschwand. Denn Biggs gehörte zur berühmt-berüchtigten Bande, die 1963 umgerechnet mehr als 60 Millionen Euro aus einem Postzug raubte. Erst nach mehreren Jahren, längst schwer krank, wurde er aus der Haft entlassen.

Einer, der Biggs gut kannte, ist Tote-Hosen-Gitarrist Breiti. «Er war auch immer so ein Symbol», erzählt der Musiker, bürgerlich Michael Breitkopf, der Deutschen Presse-Agentur. «Wir sind mit Spielfilmen und Dokumentationen über diesen Postraub gross geworden, der ja eine legendäre Angelegenheit war.» Dazu trug vor allem die Flucht von Ronnie Biggs bei: Zu 30 Jahren Haft verurteilt, konnte er recht bald entkommen.

Über Paris, wo er sein Gesicht verändern liess, und Australien, wo er jahrelang unerkannt lebte, gelangte er schliesslich nach Brasilien. Und wurde dort zur Legende, auch weil die brasilianischen Behörden die Auslieferung verweigerten. Biggs, in erster Ehe mit einer Britin verheiratet, mit der er drei Kinder hatte, hatte gemeinsam mit einer Brasilianerin einen Sohn bekommen.

«Weil seine Flucht für viele Jahre erfolgreich war und die britischen Behörden nicht an ihn drangekommen sind, und dadurch, dass er zu so einer öffentlichen Figur geworden ist, wurde er zu einem Symbol, tatsächlich auch für schräge Vögel aus der ganzen Welt», sagt Breiti. «Der hatte dauernd Leute bei sich zu Hause: Musiker, Ganoven, Künstler, normale Touristen. Seine Tür stand immer offen.»

Ein Grund: Biggs brauchte Geld. Sein Anteil aus der Millionenbeute - 147.000 Pfund, heute rund 3,1 Millionen Pfund wert - war fast verbraucht, die Kosten für seine Gesichts-OP und die Flucht waren enorm. Gegen Geld erzählte er jedem, der Interesse hatte, seine Geschichte - und wurde bekannt wie ein bunter Hund. «Dadurch sah es nach aussen immer so aus, als würde er den britischen Behörden noch zusätzlich dazu, dass sie nicht an ihn rankamen, den Stinkefinger hinhalten», sagt Breiti. «Das war aber der Situation geschuldet und entsprach gar nicht seiner Absicht.»

Auch die Toten Hosen profitierten davon, dass Biggs Geld brauchte. Denn als sie mit ihm gemeinsam ein Lied einspielen wollten, war er zunächst skeptisch, oft genug war er wegen seiner Offenheit über den Tisch gezogen worden. «Beim ersten Treffen haben wir alles besprochen», sagt Breiti. «Wir hatten einen Vertrag dabei. Er hat einen festen Betrag für die Aufnahmen bekommen, und dann war das für ihn okay und erledigt.» Daraus entstand «Carnival in Rio (Punk was)», ein Song für die Hosen-Platte «Learning English Lesson One» (1991) - den Text schrieb Biggs.

Für Breiti, der sich mit Biggs anfreundete und ihn später mehrmals in der Haft besuchte, ist der Postzugräuber vor allem ein Symbol. «Der hat Scheisse gebaut und das akzeptiert, dass er dafür auch Konsequenzen tragen muss. Aber die Konsequenzen haben wiederum in einer Ungerechtigkeit bestanden. Dann hat er eben gehandelt.»

Breiti ist überzeugt: Eine kürzere Strafe hätte Biggs, der schon mehrmals in Haft gesessen hatte, akzeptiert. «Er fand nur diese Strafe von 30 Jahren für seinen Anteil an diesem Postraub absolut übertrieben und fand es auch moralisch für sich gerechtfertigt, nach zwei Jahren aus dem Gefängnis auszubrechen.» An dem Überfall, bei dem der Lokführer schwer verletzt wurde, habe Biggs nur eine kleine Rolle gespielt.

In Grossbritannien haben das viele Menschen anders gesehen. Nach Biggs' Tod kritisierten konservative Politiker und Medien, der Promi-Räuber sei zu Unrecht zu einem modernen Robin Hood verklärt worden. Das sei beleidigend für das Opfer, Lokführer Jack Mills, und Biggs ein gewalttätiger Krimineller.

Eine andere Sicht hat - naturgemäss - Gitarrist Breiti. «Ich spüre kein moralisches Verbot, mit so jemandem befreundet zu sein oder auch Musik aufzunehmen», sagt er. Von Biggs habe er viel lernen können. «Gegenüber den Durchschnittsganoven hatte er noch eine ganz andere Dimension. Er hatte eine grosse Weisheit, auch das Leben zu betrachten, weil er einen ziemlich erweiterten Horizont hatte und dadurch wahrscheinlich sehr oft auch nicht den Erwartungen seiner Besucher entsprach.»

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