«The Whale»: Der Weg in die Einsamkeit - und der Kampf heraus
Mit reichlich Verzögerung startet am 27. April endlich auch hierzulande «The Whale» in den Kinos: Es ist Brendan Frasers Meisterstück geworden.

Das Wichtigste in Kürze
- «The Whale» startet am 27. April in den Kinos.
- Hauptdarsteller Brendan Fraser sorgt für eine beeindruckende schauspielerische Leistung.
Am 27. April kommt endlich auch hierzulande der zweifach Oscar-prämierte Film «The Whale» von Darren Aronofsky (54) in die Kinos. Zu behaupten, dass allein Brendan Frasers (54) Darbietung Grund genug ist, ein Ticket zu lösen, liegt auf der Hand. Immerhin erhielt er dafür den Academy Award als «Bester Hauptdarsteller».
Dem restlichen Cast des Dramas würde dies aber Unrecht tun. Auch ihnen wird dankenswerterweise die Gelegenheit gegeben, zu brillieren, «The Whale» umschifft so den Unkenruf einer One-Man-Show. Eines sollte aber auch klar sein: Wie bei seiner Hauptfigur ist auch beim Publikum zuweilen ein starker Magen gefragt – Taschentücher sowieso.
Ein Mann wird zum schwarzen Rechteck – darum geht es
Der Englischprofessor Charlie (Fraser) hat sich nach einem schweren Schicksalsschlag vollständig aus der Gesellschaft zurückgezogen. Er verfiel zudem einer zwanghaften Esssucht. Seine kleine Wohnung verlässt er seither nicht mehr, durch Online-Kurse mit ausgeschalteter Kamera hält er sich finanziell über Wasser.
Sein letzter Wunsch vor seinem zwangsläufig drohenden Tod: Er will sich unbedingt noch mit seiner 17-jährigen Tochter Ellie (Sadie Sink, 21) versöhnen. Deren Herz brach er vor vielen Jahren. Um sie zurück in sein Leben zu holen, bietet er an, ihr bei einem Aufsatz für die Schule zu helfen.

«The Whale» als Kammerspiel
Im Grunde trägt sich der gesamte Film als Kammerspiel im Apartment seiner Hauptfigur zu. Künstlich limitiert fühlt sich dieses Format jedoch zu keiner Zeit an, sondern fügt sich perfekt in die Handlung ein: Aus freien Stücken gepaart mit gesellschaftlicher Scham ist Charlie an seine vier Wände gebunden. Nur noch eine Handvoll Menschen nehmen an seinem Leben teil. Seine Existenz ist buchstäblich zum Kammerspiel verkommen.
Dennoch legt der reflexartig für alles um Entschuldigung bittende Charlie einen seltsamen Optimismus an den Tag. Seiner völlig zurecht wütenden Tochter attestiert er aufgrund ihres Feingeistes eine grossartige Zukunft. Jeden Tag stellt er einem Vogel frisches (und gesundes) Essen auf die Fensterbank. Eigentlich, so scheint es, hat er noch Freude am Leben – warum also wirft er es so leichtfertig weg?
Rührend – aber nicht rührselig
«The Whale» demonstriert – ohne in die Rührseligkeits-Falle zu tappen -, wie egoistisch Selbstaufgabe ist. Als Zuschauer kann man den unbändigen Zorn von Tochter Ellie komplett nachvollziehen. Dasselbe gilt aber für die Art und Weise, in der gezeigt wird, wie ein Mensch in die Vereinsamung schlittern kann. Und für die Tatsache, dass dafür ein Zusammenspiel von diversen Faktoren vonnöten ist.
«The Whale» ist keine voyeuristische Darstellung eines gescheiterten Menschen geworden, über den sich das Publikum erhaben fühlt. Vielmehr zeigt der Film auf, wie selbst ein so positives Gefühl wie die Liebe negative Folgen für Beteiligte haben kann.
Brendan Frasers Oscar-Gewinn war überaus verdient, sollte aber auf keinen Fall die Leistung der anderen «The Whale»-Stars schmälern. Gemeinsam sorgen sie dafür, dass die Zuschauer sowohl über das eigene sowie über das Leben der Liebsten reflektieren. Das fällt nicht leicht – das tun wichtige Dinge selten.