So grell die Abba-Welt, so scheu Agnetha Fältskog: Die blonde Schwedin mit der klaren Stimme war nie eine, die sich ins Rampenlicht drängte. Das ändert nichts daran, dass viele Abba-Fans sie bis heute vergöttern - auch wenn man sie kaum noch in der Öffentlichkeit sieht.
Agnetha Fältskog im Jahr 1977. In dem Jahr erschienen Abba-Hits wie «Knowing Me, Knowing You» oder «The Name Of The Game». Foto: Chris Hoffmann/dpa
Agnetha Fältskog im Jahr 1977. In dem Jahr erschienen Abba-Hits wie «Knowing Me, Knowing You» oder «The Name Of The Game». Foto: Chris Hoffmann/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Manchmal reicht die Existenz eines Musiklehrers in der Wohnung über einem, um eine weltumspannende Karriere loszutreten.

Als Agnetha Fältskog ein kleines, schwedisches Mädchen war, raste sie eines Tages angezogen von unbekannten Klängen zu ihrem Nachbarn Sigvard Andersson hinauf. «Onkel Sigge», wie sie ihn nannte, hatte gerade ein Klavier geliefert bekommen. Er zeigte ihr, dass kleine Finger Töne erzeugen können, wenn sie auf bestimmte Tasten drücken. Für die damals fünfjährige Agnetha war das ein magischer Moment - und der Startschuss für ein Leben in der Welt der Musik.

Was folgte, ist eine der grossen Popmusik-Geschichten des 20. Jahrhunderts. Agnetha Fältskog wurde Sängerin, verschmolz mit Björn Ulvaeus, Benny Andersson und Anni-Frid «Frida» Lyngstad zur Kultband Abba und belieferte den Planeten mit Welthits wie «Dancing Queen», «Mamma Mia» und «Super Trouper». Nun wird die blonde Schwedin mit den blauen Augen und der klaren Sopran-Stimme 70 Jahre alt.

Die knallbunte, schillernde Abba-Zeit ist mittlerweile knapp vier Jahrzehnte her. Während ihr Ex-Mann und -Bandkollege Ulvaeus heute noch ein Projekt nach dem anderen am Laufen hat, hat sich Agnetha Fältskog weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Auch ihren Ehrentag werde sie ausschliesslich im Privaten verbringen, Interviews gebe es keine, richtete die frühere Abba-Managerin Görel Hanser aus. Nur so viel: «Ihr geht es gut.»

Wer will es ihr nach den aufreibenden Abba-Jahren verübeln. Schon zu aktiven Zeiten wurde Fältskog Schüchternheit und Zurückhaltung nachgesagt, manche sahen darin gar Distanziertheit. «Es muss mir erlaubt sein, so zu sein, wie ich bin», soll Fältskog einmal gesagt haben. Anfang der 80er Jahre erklärte sie in einem offenen Brief: «Ich schütze mein Privatleben, ich tue alles, um es zu beschützen, besonders zum Wohle meiner Kinder.» Sich selbst beschrieb sie später als melancholisch, emotional, romantisch. Und auch etwas ängstlich, etwa vor dem Fliegen. Ihrer Beliebtheit tat das keinen Abbruch.

Angefangen hat all das im schwedischen Jönköping gut 300 Kilometer südwestlich von Stockholm. Ihr fünftes Lebensjahr, in dem sie erstmals wie in Daniel Wards inoffizieller Fältskog-Biografie beschrieben am Klavier von Onkel Sigge sass, bezeichnete Fältskog einst als das Jahr, in dem sie sich entschloss, Sängerin zu werden - und zwar eine weltberühmte. Schon mit sechs schrieb sie ihren ersten musikalischen Fünfzeiler, der von zwei kleinen Trollen handelte.

Später entdeckte Fältskog die Kraft der Liebe und der Gefühle: Aus Liebeskummer schrieb sie als 17-jährige Teenagerin 1967 «Jag var så kär» (Ich war so verliebt), ihren ersten Song, der in Schweden auf Platte herauskam und Erfolg hatte. Auch eines der nationalen Teenie-Idole der damaligen Zeit hörte das Lied: Björn Ulvaeus.

Wer durch das Abba-Museum in Stockholm schlendert, der erfährt, dass sich Ulvaeus zuerst in Agnethas Stimme verliebte. Der Rest kam später. «Da war etwas unglaublich Attraktives in dieser Stimme, selbst bevor ich dieses Mädchen kannte», sagte er einem australischen Fernsehsender dazu vor Jahren einmal.

Dass sich Ulvaeus und Fältskog später persönlich über den Weg liefen, war ein Glücksfall für die Popmusik. Die beiden wurden ein Paar, bekamen zwei Kinder namens Linda und Christian und verschmolzen mit Lyngstad und Andersson zu Abba. «Abba wurde aus Liebe geformt», sagte Fältskog 1979 in einem Interview mit dem Magazin «Vecko Revyn». «Björn und ich waren verliebt. Und Benny und Anni-Frid auch.»

Ihren internationalen Durchbruch feierte die Band durch und nach dem Eurovision Song Contest 1974. «My, my, at Waterloo Napoleon did surrender», riefen Agnetha und Frida dem Publikum im englischen Brighton strahlend entgegen. «Waterloo» gewann, die Abba-Maschinerie kam ins Rollen und lieferte mit «SOS», «Mamma Mia», «Fernando» «Dancing Queen», «Money, Money, Money» und «Knowing Me, Knowing You» fortan einen Nummer-eins-Hit nach dem nächsten. Die Band wurde riesengross, tourte bis nach Australien, versetzte Millionen Menschen in Abba-Hysterie - und Fältskog wünschte sich manchmal, ein weniger grosser Star zu sein.

«Es war anstrengend, auf diesen enormen Tourneen zu sein», verriet Fältskog 2014 in einem ihrer seltenen öffentlichen Auftritte in der schwedisch-norwegischen Sendung «Skavlan». In manchen Phasen habe sie sich nur gewünscht, zu Hause bei den Kindern zu sein. «Wir reisten ja so viel, hatten zwei Kinder zu Hause. Von der Luxus-Suite bin ich zurück zum Geschirrabwasch, und ich finde, das war ziemlich schön.»

Arbeit und Privates verschwommen zur Zeit der Abbamania. Die Ehen von Björn und Agnetha sowie von Benny und Frida hielten das nicht aus, auch für die Band war nach gut zehn gemeinsamen Abba-Jahren Schluss.

Der Musik ist Fältskog trotzdem treu geblieben: Wie vor Abba nahm sie auch danach Soloalben auf, zog sich dann aber über Jahre ins Private zurück, ehe sie mit «A» noch einmal Platz drei der deutschen Album-Charts erreichte. Vor zwei Jahren kündigten Abba urplötzlich zwei neue Songs an, die aber bis heute auf sich warten lassen.

Und auch im Privaten spielte die Musik zumindest im Jahr 2014 noch weiter eine wichtige Rolle für Fältskog: «Manchmal sitze ich mit meinen Enkelkindern am Klavier, das ist ziemlich lustig», sagte sie damals bei «Skavlan». So wie Onkel Sigge einst mit ihr.

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