Mutter aller Rundfunkanstalten: Die BBC wird 100
Sie gilt als Vorbild des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf der ganzen Welt und eine der Grundfesten britischer Demokratie. Doch im 100. Jahr ihres Bestehens ist die BBC unter Druck wie nie zuvor.

Das Wichtigste in Kürze
- «This is London calling» - diese Worte sind für viele Menschen in dem von Nazi-Deutschland besetzten Europa während des Zweiten Weltkriegs wie die Verheissung auf ein Leben in Freiheit und Würde.
Sie kommen aus knisternden Radiogeräten und stammen von der britischen BBC.
Am 18. Oktober hat der Sender rundes Jubiläum: Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Grossbritanniens, die als British Broadcasting Corporation Weltruhm für ihre Qualität erlangen sollte, ist vor 100 Jahren, am 18. Oktober 1922, gegründet worden.
Der Anspruch ist von Anfang hoch, aber auch breit gefasst gewesen, wie der emeritierte Medienwissenschaftler David Hendy von der Universität of Sussex im Interview der Deutschen Presse-Agentur sagt. «Inform, Educate, Entertain» (Informieren, Bildung vermitteln, Unterhalten) - diese Formel prägt der erste Generaldirektor der BBC, John Reith. Jede Hörerin und jeder Hörer soll durch den beitragsfinanzierten Dienst Zugang zum Besten haben, was der Rundfunk zu bieten hat. Diesem Motto ist die BBC bis heute treu geblieben.
Gegen die NS-Propaganda
Manche Programme sind die ersten ihrer Art und laufen über viele Jahrzehnte. Sie locken teilweise das halbe Land an die Lautsprecher. Das gelingt zum Beispiel der ersten BBC-Radio-Talkshow «In town tonight», bei der unter anderen US-Film- und Musikstars wie Errol Flynn und Doris Day interviewt werden.
Die BBC «hatte immer eine schwierige Beziehung mit Regierungen, und zwar jeglicher Couleur», sagt der Medienwissenschaftler Hendy. Das beginnt bereits früh, als sich die BBC während eines Generalstreiks 1926 gegen die Begehrlichkeiten eines gewissen Winston Churchill, damals Finanzminister, später Premier, wehren muss, der sie zum Verlautbarungsorgan der Regierung machen will.
Doch die Regierung, sagt Hendy, sei inzwischen radikal nach rechts gerutscht und greife alle möglichen Institutionen an wie die Beamtenschaft, die Justiz und die BBC. «Es drängt sich der Verdacht auf, dass sie nicht produktiv nach einer alternativen Finanzierungsform suchen, sondern die BBC zusammenstutzen wollen.»
Ähnlich brachte das erst im August die frühere BBC-Journalistin Emily Maitlis bei einer Vorlesung zum Ausdruck. Sie sieht im Brexit und der Bewegung um Ex-US-Präsidenten Donald Trump populistische Strömungen mit autoritärem Hang, die kritische Medien mundtot machen wollen.
«Wir beobachten, wie Politiker eine Richtung einschlagen, die zutiefst und eindeutig schädlich sind für unsere grundlegende demokratische Regierung», so Maitlis. Sie warnt davor, sich als Journalisten von den selbst ernannten Volkstribunen vor sich hertreiben zu lassen mit dem Verweis auf eine ausgewogene Berichterstattung. Wenn eine Seite konstant die Unwahrheit sage, müsse man das auch beim Namen nennen, fordert sie.
Die drohende Abschaffung der Beitragsfinanzierung nennt Dittert «eine Katastrophe für die britische Medienlandschaft, die schon jetzt sehr wenig Vertrauen geniesst». Doch ob es wirklich soweit komme, sei abzuwarten. «Und ob die Tories bei dem Chaos, das sie hier gerade anrichten, 2027 überhaupt noch im Amt sind, das ist auch noch nicht ausgemacht», sagt sie im Hinblick auf die krisengeschüttelten ersten Wochen der neuen konservativen Premierministerin Liz Truss.
Während des Zweiten Weltkriegs erarbeitet sich die BBC zudem den Ruf als erstklassige Nachrichtenquelle, auf die man sich im Gegensatz zur deutschen NS-Propaganda verlassen kann. In Nazi-Deutschland ist der BBC-Empfang verboten. Diejenigen, die sich trotzdem heimlich um leise gestellte Radiogeräte scharen, sprechen ehrfürchtig von der «Stimme der Wahrheit», die in diesen Jahren auch auf Deutsch sendet.