Leander Haussmann: Gegen das Siegel der Ernsthaftigkeit
Mit seinem ersten Film «Sonnenallee» hat Leander Haussmann viel Ostjugend ins Kino gebracht. Jetzt wird der Regisseur 60 - und hat eine ziemlich eigene Antwort auf die Frage, wie es ihm geht.

Das Wichtigste in Kürze
- Klar, man kann Geschichte in grosse Dramen verpacken.
In ernste, epische Erzählungen für die Kinoleinwand. Oder man macht es wie Leander Haussmann.
Der Regisseur liess in «Sonnenallee» mehrere Jungs in Ost-Berlin zu britischem Rock tanzen, in «NVA» schaute er satirisch auf die DDR-Armee, und mit «Herr Lehmann» brachte er die Kreuzberger Kneipenszene der Wendezeit ins Kino.
«Politik und Kultur haben ja das Bedürfnis, der Geschichte unbedingt das Siegel der Ernsthaftigkeit aufdrücken zu wollen», sagt Haussmann, der an diesem Mittwoch (26. Juni) 60 Jahre alt wird. Dem wolle er etwas entgegenhalten. Auch mit seinem nächsten Projekt, denn Haussmann will eine Komödie über die Spitzel der Stasi drehen.
«Ich habe immer ernsthafte Themen genommen und versucht, sie unterhaltsam zu vermitteln. Nicht im Sinne eines Lehrers, sondern eines albernen Schülers», sagt Haussmann. Er fläzt sich auf eine Holzbank in einem Berliner Café, bestellt ein Bier und steckt sich eine Zigarette an, die Haare ein bisschen durcheinander.
Schauspieler Henry Hübchen hat in einer MDR-Dokumentation über Haussmann gerade gesagt: «Wenn ich ihn treffe, sieht er immer aus, als ob er gerade aus'm Bett gekommen ist.» Dabei beginne Haussmann oft morgens früh mit dem Schreiben. Und Ex-Volksbühnen-Chef Frank Castorf schreibt Haussmann in der Doku eine «Portion Grössenwahnsinn» zu.
Haussmann scheint es zu mögen, wenn andere ihn nicht ganz einschätzen können. Geboren wurde er 1959 in Quedlinburg (Sachsen-Anhalt), aufgewachsen ist er in Ost-Berlin. Nach einer Druckerlehre studierte er an der Schauspielschule Ernst Busch. Dass er eigentlich ein ausgebildeter Schauspieler ist, merkt man noch heute.
Sein Vater Ezard Haussmann wurde von der Stasi bespitzelt und bekam als Schauspieler Berufsverbot, auch über Leander gab es eine Akte. Darin unterstellte ihm ein Beobachter einen «hohen Grad an Zynismus» und eine «ausgeprägte Kantinen-Begabung». Bereits mit Mitte 30 wurde Haussmann Intendant des Schauspielhauses Bochum. Bis heute arbeitet er zum Beispiel an Theatern in Hamburg und Berlin.
Mit «Sonnenallee» hat er für manche einen Film gemacht, der auf satirisch-schöne Weise das Gefühl aufgriff, als Mensch aus dem Osten manchmal als Bürger zweiter Klasse gesehen worden zu sein. Auch über die Stasi will er nun eine Komödie drehen. «Wir müssen uns leider der Tatsache stellen, dass die Leute von der Stasi auch Menschen waren. Möglicherweise sogar wie du und ich», sagt Haussmann.
Die Liste seiner Filme ist lang. Dazu gehören «Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe» und das Trash-Werk «Hai-Alarm am Müggelsee». «Dann gibt es noch das von Intellektuellen am meisten gehasste Werk von mir: 'Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken' - handwerklich einer meiner perfektesten Filme», sagt Haussmann. Diesen Satz kann man ihm glauben oder auch nicht.
Haussmann lebt in Berlin, gibt öfter Interviews und hat in der Vergangenheit auch darüber gesprochen, dass er schwierige Zeiten hatte. Während des Gesprächs regt er sich über vorbeifahrende Autos und schlecht geschriebene Kritiken auf. Er schwärmt davon, wie gut gemacht das Videospiel «Red Dead Redemption 2» sei, und erzählt, wie er es mit dem Fernsehgucken bei seinen Kindern hält.
Auf die Frage, wie es ihm geht, holt Haussmann aus. Er kommt zu den ganz grossen Themen des Lebens - und sagt dann: «Ich mach' mir eben bisschen Gedanken über die Welt. Manchmal will ich nicht aufstehen, muss es aber, weil ich Termine habe. Manchmal schaffe ich es mit Alkohol, mir eine gewisse Leichtigkeit für den Tag aufzubauen. Manchmal erfreue ich mich an einer Probe.»
«Manchmal habe ich eine Premiere, die ist vielleicht von aussen gesehen erfolgreich. Macht sie mich glücklich? Eher nicht», sagt Haussmann. «Und - ich bin schon wieder mit den Gedanken woanders - kann aber sagen: Ich bin als privater Mensch glücklich. Als Künstler bin ich unzufrieden.» Das liege vielleicht auch daran, dass er immer Unterhaltung und Ernsthaftes verbinden wolle. Womöglich auch jenseits seiner Arbeit nicht die schlechteste Selbstbeschreibung.