Kameras aus! Wieso Handys bei manchen Konzerten tabu sind
Einige Musiker wollen bei ihren Konzerten bewusst keine Smartphones im Publikum sehen, zum Beispiel die Hardrock-Band Ghost. Sind Handyverbote mittlerweile Trend oder doch nur Nische?

Ist der verwackelte, 20 Sekunden lange Mitschnitt wirklich eine schöne Erinnerung an den Lieblingskünstler oder macht er nur unnötig den Handyspeicher voll? Fotos und Videos bei Konzerten scheiden so manche Geister.
Für Wirbel sorgte zuletzt ein Smartphone-Verbot der schwedischen Hardrock-Band Ghost bei ihrer Welttournee, die vom ständigen Fotografieren genervt ist. Fans des US-Sängers Bob Dylan müssen bei Konzerten auf Fotos verzichten.
Und die gemeinsame Tour von Rapper RIN und Sänger Schmyt heisst sogar «No Phones Allowed», also «keine Smartphones erlaubt». Handyverbote sind ein nicht ganz neues, aber immer wieder auftretendes Phänomen in der Musikwelt.
Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Ein Beispiel: neue, unveröffentlichte Musik. In Berlin hat sich eine eigene Eventreihe unter dem Titel «Unreleased» etabliert. Fotos und Videos währenddessen: nicht erlaubt.
Berliner Eventreihe will unveröffentlichte Musik schützen
«Die Vorder- und Rückseite der Handykameras aus dem Publikum kleben wir am Eingang ab, weil wir die unveröffentlichte Musik schützen wollen», sagt Federico Battaglia, Mitgründer des Formats. Einmal pro Monat treten im Festsaal Kreuzberg zehn bis zwölf Secret Acts auf, das heisst: Die Zuschauer wissen vorher nicht, wer auf der Bühne stehen wird.
Dann spielen sie zwei Songs, mindestens einer von diesen ist unveröffentlicht. Der Fokus liegt vor allem auf Rap und Hip-Hop. Aufgetreten sind bei dem Event etwa schon Nina Chuba, Trettmann, das Musikerpaar Max Herre und Joy Denalane oder der englische Rapper Headie One.
«Dadurch, dass wir vorher nie sagen, wer kommt, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass man nicht jeden Act gut findet», sagt Battaglia. Doch andererseits sei für alle etwas Neues dabei. «Wie bei einer Weinprobe».
Zwei wichtige Punkte für ein Handyverbot
Urheberrechte und Exklusivität seien zwei entscheidende Punkte für ein Handyverbot, sagt der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV), Johannes Everke. «Wenn Sie ein Showkonzept haben, das so exklusiv und so speziell ist, dass Sie es auch geheim halten wollen, liegt es näher, eine Handynutzung zu verbieten».
Anders sei es, wenn die Social-Media-Reichweite für die Acts von einem besonderen Wert ist und die Fans zu Multiplikatoren werden sollen. «Das sind unterschiedliche Abwägungen bei unterschiedlichen Kunstformen».
Einen Trend in eine bestimmte Richtung sieht Everke nicht. «Grundsätzlich gibt es bei dem Thema eine hohe Toleranz und das Publikum akzeptiert grundsätzlich auch die Vorgaben durch Bands oder Veranstalter». Viel werde aus seiner Sicht vom eigenen Medienverhalten bestimmt.
Rapper RIN: «Es fehlt mir die Intimität auf beiden Seiten»
Einige Fans wollen ihre Mitschnitte etwa gerne mit anderen teilen. Andere nervt es, ständig ihr Handy zu zücken, fremde Displays vor der Nase zu haben oder von anderen fotografiert zu werden.
Das gilt auch für manche Künstler. Rapper RIN («Vintage», «Dior 2001») sagte 2024 in einem Instagram-Video über das Tourkonzept zu «No Phones Allowed»: «Es fehlt mir die Intimität auf beiden Seiten».
Was die Zuschauer anbelangt, merke er, dass sie viel zu oft unter Druck stünden, «diesen ganzen Social-Media-Quatsch mitzumachen». Als Künstler vermisse er «ganz, ganz arg diesen Zustand», Songs einfach zu spielen, weil man sie spielen will und nicht, um Promo zu machen. «Es gibt so einen Teil der Liveshow, der über die Jahre einfach verloren gegangen ist und der ist ein bisschen das Experimentelle und Freie».
Abgeklebte Kameras und abschliessbare Smartphone-Taschen
Vor Beginn der Shows werden bei der Tour die Handykameras daher abgeklebt. Bei anderen Konzerten kommen abschliessbare Smartphone-Taschen zum Einsatz. Darauf setzt zum Beispiel die Hardrock-Band Ghost. «Es geht darum, sich wieder zu verbinden und den Moment zu erleben», findet Frontmann Tobias Forge.
Bei einigen Künstlern gehört das Mitfilmen aber auch praktisch mit zum Konzept. Für sie könne es positiv sein, dass sie durch die Handynutzung die Nähe zu ihren Fans vertiefen, weil die Fans sie sozusagen mit am Leib tragen können, sagt Everke. «Das ist Teil der Kommunikationsstrategie vieler Künstler und kann zum Reichweitenerfolg oder dem wirtschaftlichen Erfolg beitragen».
Ein Beispiel sei Megastar Taylor Swift, die für ihren bildgewaltigen Shows bekannt ist, zuletzt bei ihrer «Eras»-Tour. «Natürlich wollen die Leute diesen ‚Wow- Effekt‘ mit nach Hause tragen. Bei Swift geht es so weit, dass sie sogar einen extrem erfolgreichen Kinofilm über ihre Shows gemacht hat». Und dennoch – oder vielleicht auch gerade deshalb – zog es Millionen Zuschauer zu ihren Konzerten.