Von Gerechtigkeit ist auf Justin Biebers neuem Album «Justice» nichts zu hören - abgesehen von zwei deplatziert wirkenden Sprachsamples der US-Bürgerrechtsikone Martin Luther King. Stattdessen verliert er sich in Glaubens- und Liebesschnulzen der verzichtbaren Art.
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Justin Bieber und Ehefrau Hailey laufen auf einer Wiese in Los Angeles. - Dukas

Von Gerechtigkeit ist auf Justin Biebers neuem Album «Justice» nichts zu hören - abgesehen von zwei deplatziert wirkenden Sprachsamples der US-Bürgerrechtsikone Martin Luther King. Stattdessen verliert er sich in Glaubens- und Liebesschnulzen der verzichtbaren Art.

«In einer Zeit, in der so viel falsch läuft auf diesem kaputten Planeten, sehnen wir uns alle nach Heilung und Gerechtigkeit für die Menschheit.» So hat Bieber gegenüber dem «Rolling Stone» seinen Antrieb zum sechsten Studioalbum beschrieben.

Er wolle Musik machen, «die den Menschen Trost spendet und ihnen Songs bieten, zu denen sie eine Beziehung aufbauen können und durch die sie sich weniger einsam fühlen».

Wenn er da von Menschen spricht, sind in letzter Konsequenz wohl vor allem er selbst und seine Ehefrau Hailey Baldwin Bieber gemeint. War schon das Vorgängeralbum «Changes» (2020) eine Liebeserklärung an seine Partnerin, so wiederholt sich nun dieses Spiel. Nach einem kurzen Auszug einer Rede von King, beginnt das Album mit der ruhigen Klavierballade «2 Much» und einem darin schmachtenden Bieber, bevor im Folgetrack «Deserve» zumindest ein Auge in Richtung Tanzfläche schielt, wenn über einem flotteren Beat Belanglosigkeiten wie «the way your body fits on mine» geträllert werden.

Und damit hat man eigentlich die gesamte, musikalische wie emotionale Bandbreite von «Justice» abgesteckt. Mal melancholisch und reduziert wie in «Off My Face», dann wieder etwas grooviger wie in «Die For You», macht Bieber keine Anstalten, seinen von dezentem Electro und weich gespültem R'n'B unterfütterten Pop in eine auch nur ansatzweise überraschende Richtung zu lenken. Stattdessen heisst es gefühlt 1000 Mal «Ich Liebe dich» oder «Ich brauche dich», während Gott und der Glaube als Rahmenhandlung für die Liebesbeweise herhalten müssen.

Da hilft es auch nichts, dass sich Bieber mit Kapazundern wie Chance The Rapper, Burna Boy, Khalid und vielen anderen eine ganze Armada an Gaststars ins Studio geholt hat oder grosse Namen wie Skrillex und Finneas (Bruder und Mitproduzent von Billie Eilish) für die Beats verantwortlich zeichnen. Die Songs mögen ja sehr solide produziert sein, über ein belanglos dahinplätscherndes Mittelmass kommen sie aber nicht hinaus - womit zusätzlich das Augenmerk auf die vor Klischees triefenden Texte gelenkt wird.

Das ist weder für Bieber noch seine Co-Songwriter besonders hilfreich. Hier eine kleine Auswahl: «It's your world, and I'm just in it» (aus «Off My Face»); «The way you hold me, feels so holy» (aus «Holy»); «I miss you more than life» (aus «Ghost»); oder «I'll treat you like a mother, let's make babies» (aus «Love You Different»). In Sachen Herzschmerz wird quasi eine Überdosis serviert. Einzig der Abschlusstrack «Lonely» schert aus und zeigt Bieber, wie er sich an seinem eigenen Image und dem schnellen Erfolg abarbeitet («My house was always made of glass, and maybe that's the price you pay, for the money and fame at an early age»).

Bleibt letztlich noch die Frage, was der Albumtitel sowie die Einbindung von Martin Luther King (der neben dem Einstieg noch mit einem eigenen Interlude bedacht wird) bezwecken sollen. Im Falle der Ausschnitte von King bleibt ein übler Beigeschmack, wenn dieser Kämpfer für eine gerechtere Welt mit sehr deutlichen Aussagen in einen Kontext gebracht wird, in dem ein Mittzwanziger einzig über Liebesdinge singt - noch dazu auf so oberflächliche Weise. Man könnte auch sagen: Eier hat er, der Bieber, dass er sich das traut. Seinen Fans wird es letztlich egal sein. Hauptsache, neues Futter für die Playlist mit dem Titel «Love, love, nothing but love».

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