Im Mittelpunkt der diesjährigen Frankfurter Buchmesse steht Italien als Gastland – unter dem Motto «Verwurzelt in der Zukunft». Doch es gibt auch Kontroversen.
Roberto Saviano
Die Nichteinladung des berühmten Autors Roberto Saviano durch die Verantwortlichen in Rom sorgte für einen Eklat. (Archivbild) - AFP/Archiv

Literaturfans können sich freuen, denn die Frankfurter Buchmesse rückt immer näher. Im Mittelpunkt des Literaturevents steht in diesem Jahr Italien als Gastland. Unter dem Motto «Verwurzelt in der Zukunft» will sich das Land von seiner besten Seite präsentieren. Die Vorfreude wurde jedoch von Kontroversen überschattet. Die Nichteinladung des berühmten Autors Roberto Saviano durch die Verantwortlichen in Rom sorgte für einen Eklat.

Den Zwischenfall will die Buchmesse nun so gut wie möglich mit einem interessanten Programm, vielen Autorinnen und Autoren, neuen Büchern und Events ausgleichen. Das Gastland Italien soll ziehen. Und literarisch hat das Land sehr viel zu bieten. Ein Überblick über die grossen Namen der italienischen Gegenwartsliteratur:

ELENA FERRANTE

Sie ist das Phantom der Literatur: Elena Ferrante. Der Name ist ein Pseudonym, niemand weiss, wer sich dahinter verbirgt. Sicher scheint nur, dass es sich bei Ferrante um eine Frau aus Neapel handelt. Von der «New York Times» wurde sie erst kürzlich für den bislang besten Roman des 21. Jahrhunderts bejubelt: «Meine geniale Freundin», den ersten Teil ihrer vierteiligen neapolitanischen Saga. Der Romanzyklus erzählt die Lebensgeschichten zweier Freundinnen, die aus einem armen und von Gewalt geprägten Viertel in Neapel stammen.

1992 erschien Ferrantes erster Roman, unter dem Titel «Lästige Liebe» wurde er zwei Jahre später ins Deutsche übertragen. Das Buch verkaufte sich schlecht. Doch nach dem Hype um ihre neapolitanische Saga wurde die Nachfrage immer grösser. 2018 folgte eine Neuauflage. Ihr bislang letztes Werk ist «Zufällige Erfindungen», das 2021 ins Deutsche übersetzt wurde.

ROBERTO SAVIANO

Roberto Saviano wurde mit «Gomorrha», einer literarischen Reportage über die Camorra in Neapel, berühmt. Das Buch wurde in 50 Sprachen übersetzt und es wurden zehn Millionen Exemplare verkauft. Das Werk veränderte sein Leben jedoch vollkommen. Seit der Veröffentlichung des Mafia-Enthüllungsbuchs im Jahr 2006 erhält Saviano Todesdrohungen und steht unter Polizeischutz.

Mit seinem neuesten Buch «Falcone», das dieses Jahr ins Deutsche übersetzt wurde, setzt er dem Mafia-Jäger Giovanni Falcone ein literarisches Denkmal. In dem mehr als 500-Seiten-langen Buch stellt er das Leben und Wirken des sizilianischen Anti-Mafia-Richters dar, der 1992 mit seiner Frau von Mafiosi bei einem Bombenanschlag getötet wurde. In Romanform beleuchtet Saviano Falcones Wirken als Richter sowie als Ehemann, Bruder und Freund.

Saviano gilt als einer der vehementesten Kritiker der Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Beobachter werteten seine Nichteinladung zur Buchmesse durch die italienischen Verantwortlichen als Versuch, nicht genehme Stimmen zu unterdrücken. Nun kommt er nicht als Teil der italienischen Delegation, sondern auf Einladung seines Verlags.

DONATELLA DI PIETRANTONIO

Der wichtigste Literaturpreis Italiens, der Premio Strega, ging dieses Jahr an die Autorin Donatella Di Pietrantonio für ihr bisher noch nicht übersetztes Buch «L'età fragile» («Das fragile Alter»). Im Zentrum stehen Mutter und Tochter sowie ein schrecklicher Femizid, also Frauenmord. Das Buch widmete die im eigentlichen Leben als Kinderzahnärztin tätige Schriftstellerin nach eigenen Worten allen überlebenden Frauen von Frauenmorden.

Deutsche Leser dürften die in den Abruzzen geborene Autorin insbesondere wegen ihres Romans «Arminuta» kennen. Das Buch spielt in Di Pietrantonios Heimatregion und erzählt von einem jungen Mädchen, dessen Familienleben sich von einem Tag auf den anderen ändert, als sie ihre vermeintlichen Eltern zurück in ihre eigentliche Familie bringen, von der sie nichts wusste. Ein weiterer Erfolg war ihr Roman «Borgo Sud», der ebenfalls in den Abruzzen spielt.

NICOLA LAGIOIA

True Crime auf Italienisch: Vergangenes Jahr schockte Nicola Lagioia seine Leser mit «Die Stadt der Lebenden» und präsentierte ihnen ein schauriges Rom. Das Buch schildert ein wahres Verbrechen, das vor einigen Jahren in Italien grosse Medienaufmerksamkeit erreichte. Zwei junge Männer aus bürgerlichen Verhältnissen werden zu Sadisten und Mördern. Scheinbar grundlos. Das Buch ist keine leichte Kost, für True-Crime-Fans aber Pflicht.

Sein grösster Erfolg gelang dem gebürtigen Süditaliener jedoch wenige Jahre zuvor mit «Eiskalter Süden». Für den Roman erhielt er 2015 den Premio Strega. Sieben Jahre lang hat Lagioia die Turiner Buchmesse erfolgreich geleitet. Er zählt zu den scharfen Kritikern der Einladungspolitik der italienischen Verantwortlichen für die Frankfurter Buchmesse.

DACIA MARAINI

Gewalt gegen Frauen, Zwangsprostitution, Inzest oder Kindesmissbrauch: Dacia Maraini ist kein Thema zu heikel. Die heute 87-Jährige gilt auch abseits des Literaturbetriebs als eine der wichtigsten intellektuellen Stimmen ihres Landes. Für ihr Buch «Kinder der Dunkelheit» erhielt sie 1999 den Premio Strega. In Kurzgeschichten erzählt Maraini sachlich und zugleich emotional von missbrauchten Frauen und Kindern und blickt in die Abgründe der menschlichen Seele.

Weitere Erfolge feierte die als «Grande Dame der italienischen Literatur» bezeichnete Maraini mit ihrem Debütroman «Tage im August» sowie «Die stumme Herzogin» und «Stimmen». In ihren Werken beschäftigt sie sich meist mit feministischen Themen. Immer wieder meldet sich die Autorin heute zu aktuellen Themen zu Wort und kritisiert Italiens Macho-Kultur.

PAOLO GIORDANO

Er habe da Judo. Mit dieser süffisanten Begründung sagte Paolo Giordano seine Teilnahme an der italienischen Delegation bei der Buchmesse ab. Er gehörte zu denen, die die Nichteinladung Savianos und die italienische Kulturpolitik unter Regierungschefin Meloni am schärfsten kritisierten. Das Gastland des Literaturevents will er von Zuhause repräsentieren.

Der Durchbruch gelang Giordano mit seinem Erstlingswerk «Die Einsamkeit der Primzahlen», für das er kurz nach Veröffentlichung ebenfalls den Premio Strega erhielt. Das Buch wurde ein internationaler Bestseller, der in über 40 Sprachen übersetzt und verfilmt wurde. Sein neuestes Buch, «Tasmanien», erschien vergangenes Jahr auf Deutsch. Es handelt von seinem Alter Ego – einem Physiker und Schriftsteller, der Vater werden möchte.

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