«Ein Wunder»: Friedländer-Würdigung bei Deutschem Filmpreis
Die Nachricht vom Tod der Holocaust-Zeitzeugin Margot Friedländer überschattet die Verleihung des Deutschen Filmpreises.

Plötzlich ging ein Raunen durch den Saal. Iris Berben war der Schock ins Gesicht geschrieben. Die Nachricht vom Tod Margot Friedländers platzte mitten in die Verleihung des Deutschen Filmpreises. Starpianist Igor Levit kämpfte sichtlich mit den Tränen, als er auf der Bühne die verstorbene Holocaust-Zeitzeugin würdigte, statt eine Laudatio für die beste Filmmusik zu halten.
Es war der bewegendste Moment bei der mehrstündigen Gala am Potsdamer Platz in Berlin. Viele Schauspielerinnen und Schauspieler im Publikum wirkten überrascht und geschockt, als sie vom Tod der 103-Jährigen hörten. Erst im vergangenen Jahr hatte sie beim Deutschen Filmpreis eindringlich an die Filmschaffenden appelliert.
Levit: «Momente grösser als jeder Preis»
Der jüdische Pianist rief zu einem Schweigemoment für Friedländer auf, immer wieder stockte, seine Stimme. «Es gibt Momente, die sind grösser als der Preis, als jeder Preis, als wir alle». Friedländer sei ein «grosses, grosses Wunder gewesen».
Levit nutzte die Würdigung aber auch für eine politische Botschaft: Es gebe keine Rechtfertigung dafür, auch nur einen einzigen Millimeter jenen zu überlassen, die all das, für das Friedländer 103 Jahre lebte, zerstören wollten.
Politische Statements prägen Filmpreis
Generell war die Verleihung des Deutschen Filmpreises am Freitagabend geprägt von politischen Statements, vor allem gegen einen Rechtsruck in der Gesellschaft und für mehr Zusammenhalt. Schauspielerin Iris Berben betonte, man dürfe nicht länger tatenlos dabei zuschauen, wie andere etwa unsere Stimme einnähmen.
Am Rande der Verleihung sagte die 74-Jährige der Deutschen Presse-Agentur: «Dass dieser Rechtsruck jetzt in so einer massiven Weise weltweit zu sehen ist, ist besorgniserregend». Man dürfe nicht sprachlos sein, man müsse die Kultur bündeln und laut sein.
Bewährungsprobe für neuen Kulturstaatsminister
Auch Regisseur Florian Gallenberger, der zusammen mit der Schauspielerin Vicky Krieps die ausrichtende Deutsche Filmakademie leitet, betonte Vielfalt bedeute Bereicherung. Ohne Vielfalt gebe es keine Kultur keine Kunst und kein Kino.
Eine Art erste Bewährungsprobe wurde die Gala so für den neuen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer dessen Vorgängerin Claudia Roth auch im Publikum sass. Nach Bekanntwerden seiner Personalie für das Amt des Staatsministers für Kultur und Medien gab es teils scharfe Kritik aus der Kulturszene.
Seine sehr konservativen Äusserungen der Vergangenheit trafen auf Vorbehalte. Gallenberger fragte Weimer zu Beginn, was er denjenigen sagen könne, die sich nun Sorgen machten.
«September 5» räumt ab
Der Kulturstaatsminister entgegnete: «Der einzige Kulturkampf, den ich führen werde, ist der Kampf für die Kultur». Die Politik sollte Freiräume ermöglichen und die Kulturpolitik bleibe an der Seite der Kultur und der Freiheit. Schauspielerin Karoline Herfurth nahm das später zum Anlass, in Richtung Weimer zu sagen: «Freiheit. Das ist ein Wort Herr Weimer. Da sprechen wir vielleicht noch einmal drüber, aber nicht jetzt».
Und abseits der Politik? Schnell zeichnete sich ab, wer der grosse Abräumer des Abends wird. Der Thriller «September 5» von Tim Fehlbaum über das Olympia-Attentat 1972 in München gewann nicht nur die Goldene Lola für den besten Spielfilm, sondern auch acht weitere Auszeichnungen. So bekam er etwa Preise für die Regie und das Drehbuch Leonie Benesch wurde für die beste weibliche Nebenrolle geehrt.
Liv Lisa Fries widmet Preis Liebe
Der Film erzählt Geschehnisse beim Olympia-Attentat am 5. September 1972 aus Sicht eines US-amerikanischen Fernsehteams, das eigentlich über Wettkämpfe berichten sollte, stattdessen werden Journalisten zu Live-Reportern einer Geiselnahme israelischer Sportler durch palästinensisches Terrorkommando

Bester Hauptdarsteller wurde Misagh Zare für «Die Saat des heiligen Feigenbaums» ein Politthriller über Proteste im Iran nach dem Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini im September 2022. Einen Preis für die beste weibliche Hauptrolle erhielt Liv Lisa Fries für ihre Darstellung der NS-Widerstandskämpferin Hilde Coppi (1909–1943) im Drama «In Liebe, Eure Hilde».
Die 34-Jährige nutzte ihre Dankesrede, die sie auf einem Zettel vorbereitet hatte, für einen Appell. «Ich widme diesen Preis der Liebe, die Kraft, die uns trägt, wenn es ernst wird und es ist ernst», sagte sie. «Es braucht unser Engagement füreinander für Mitgefühl, Weichheit, Frieden und Freiheit».