Mit dem 2017 gestorbenen Aufbau-Verleger Elmar Faber verband Christoph Hein eine berufliche und später wohl auch persönliche Freundschaft. Jetzt ist der langjährige Briefwechsel zwischen den beiden Protagonisten der DDR-Literatur erschienen.
Cover des Buches «Ich habe einen Anschlag auf Sie vor. Der Briefwechsel» von Christoph Hein/Elmar Faber. Foto: Verlag Faber & Faber
Cover des Buches «Ich habe einen Anschlag auf Sie vor. Der Briefwechsel» von Christoph Hein/Elmar Faber. Foto: Verlag Faber & Faber - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Schriftsteller Christoph Hein («Horns Ende») wusste, wovon er sprach, als er 1987 auf dem DDR-Schriftstellerkongress die Zensur beim Namen nannte, die er «überlebt, nutzlos, paradox, menschenfeindlich, volksfeindlich, ungesetzlich und strafbar» nannte.

Damit hatte auch sein Verlagspartner vom Aufbau Verlag, Elmar Faber, seine liebe Not, worüber sich beide auch in ihrem beinahe 35 Jahre andauernden Briefwechsel austauschten, der in einem jetzt erschienenen Band im wiedergegründeten Leipziger Verlag Faber & Faber dokumentiert ist (Christoph Hein. Elmar Faber: «Ich habe einen Anschlag auf Sie vor. Der Briefwechsel»).

Faber setzt das Wort «Zensur» in Anführungszeichen und spricht von «einem der kulturpolitischen Instrumente, die ursprünglich zur Lenkung der Literaturpolitik angedacht waren und später freilich zur Besserwisserei herhalten musste». Was verstand ein Verleger darunter, dass die Literaturpolitik also staatlich gelenkt wird? Auch galt das ja nicht nur für die Literatur, wie die drastischen Filmverbote von 1966 zum Beispiel für «Spur der Steine» und andere Defa-Filme zeigte. Oder auf den Bühnen. «Es war ein Kampf um die Macht im Theater, ein Exempel im Namen der Staatsgewalt», schreibt Günther Rühle in seinem Buch «Theater in Deutschland» zum Kampf um Stücke wie «Die Sorgen und die Macht» von Peter Hacks oder «Die Umsiedlerin» von Heiner Müller. Der Staat sagte, was «gute Kultur», in dem Fall «sozialistische Kultur», ist. «Einsprüche, Verbote, Umarbeitungen» waren die Praxis (Rühle).

Der Verleger Faber kannte nach eigenen Worten ein «sozialistisches Publikum» und war der Ansicht, dass der Sozialismus «eine gute Zeit für das Buchgeschäft» sei, «die Neugier auf die Literatur ist gross, der Hunger auf das geschriebene und gedruckte Wort ist stark - alles Zeichen geglückter Bildungspolitik, so sehr man auf die Schule auch schimpfen mag».

Wie der Hunger zu stillen war, bestimmte aber, nicht nur in der Literatur, in erster Linie die Partei und damit der Staat, und dann erst der nachgeordnete Verleger mit seinen literarischen Gesichtspunkten, der in diesem Verordnungs- und Zuteilungssystem entsprechend auch noch mit Papierkontingenten zu kämpfen hatte, ebenso wie mit Druckereien, die vor allem in der Endzeit der DDR vorzugsweise für westliche Auftraggeber und damit für westliche Devisen arbeiteten, wie aus dem Briefwechsel offenherzig hervorgeht. «Ich finde ebenso wie Sie den Zustand fatal und unzeitgemäss, dass eine Druckerei unseres Landes den exotischen Münzen wie ein Weltmeister nachrennt», schreibt Faber im Januar 1989 an Hein. Der schlägt in seinen Briefen immer wieder auch ironische Töne an, wenn er zum Beispiel meint, Faber müsse doch zugestehen, «dass es eine Lust ist, Verleger im Sozialismus zu sein».

Ernster und deutlicher wird Hein, wenn er auf Lobpreisungen Fabers über den preiswerten und damit doch für jedermann erschwinglichen Buchmarkt im Sozialismus im Gegensatz zum «bürgerlichen Buchmarkt» die Realität in Erinnerung ruft. Dabei hält Hein ein Kurzreferat über marktwirtschaftliche Grundsätze: «Ein Reclam-Bändchen ist für 1,25 Mark nicht herzustellen.» Dem Verlag, der genötigt werde, an dem «anachronistischen Preis» festzuhalten, bleibe nur ein Ausweg - «er muss das Buch mit dem unsinnigen Preis in einer Auflage drucken, die den Verlust begrenzt (also eine Auflage für Professoren und Filmstars)», also künstlich niedrig halten, um Kosten zu sparen. «Die gute Absicht, die Beschränkungen des bürgerlichen Buchmarktes zu beseitigen und dem Volk mit volkstümlichen Preisen die Referenz zu erweisen, verdrehte sich in ihr Gegenteil.»

Und dann wird Hein auch grundsätzlich: «Die Katze beisst sich in den Schwanz, aber das ist hierzulande ein gewöhnliches Schauspiel und nicht der Rede wert.» Die niedrigen Wohnungsmieten beispielsweise seien nicht zu halten, «man hält sie dennoch fest und muss dann folgerichtig ein paar andere Dinge fallen lassen». Zum Beispiel die Sanierung ganzer historischer Innenstädte, was Hein nicht ausdrücklich erwähnt, aber nach dem Fall der Mauer für alle offenbar wurde, wie zum Beispiel in Leipzig, wo fast die halbe Altstadt bald zusammengefallen wäre, wenn die DDR noch länger existiert hätte.

Die roten Zahlen seien den «heiligen Kühen» geschuldet, merkt Hein im Briefwechsel an. «Vermutlich ahnt man, werden erst die heiligen Kühe geschlachtet, schlachtet man eines Tages auch die dazugehörigen Ochsen.» Der Schriftsteller nennt das Dilemma des «real existierenden Alltags» in der dirigistischen Plan- und Dienstleistungsgesellschaft der DDR konkret beim Namen: «Unsere Post gehört mit der Gastronomie dieses Landes und dem hiesigen Einzelhandel zu den kuriosesten Einrichtungen der Republik.» Vermutlich eine Anspielung Heins auf das berühmte Schlagwort in DDR-Geschäften auf Kundenfragen: «Ha'm wa nich!» (Haben wir nicht). Oder die Post: Ein Brief Fabers war innerhalb Ostberlin «4 Wochen unterwegs (Luftlinie 3,7 km)». Was allerdings auch an den «Kollegen der Firma "Horch und guck"» (Stasi) mit den Postschnüffeleien gelegen haben dürfte.

In seiner im Buch abgedruckten Trauerrede auf Faber im Dezember 2017 findet Hein nicht nur bewegende persönliche Worte für den verstorbenen Verleger und Freund, sondern erinnert auch an das nach Ansicht Heins standhafte und sich immer treu bleibende Verhalten Fabers sowohl gegenüber den DDR-Machthabern als auch in den Turbulenzen nach der Wende. «Er, der nichts mit der Staatssicherheit zu tun hatte, weigerte sich, in Demutshaltung sich selbst einen Persilschein für sein Verhalten zu DDR-Zeiten auszustellen.»

Der jetzt veröffentlichte Briefwechsel ist mehr als nur der dokumentierte Austausch zwischen Autor und Verleger in besonderen Zeiten. Er ist ein bemerkenswertes Dokument über Büchermachen gegen Widerstände in widrigen Zeiten und das persönliche Verhalten der Beteiligten, lesenswert auch für die nachfolgenden Generationen im nun wiedervereinigten Deutschland.

Christoph Hein/Elmar Faber: Ich habe einen Anschlag auf Sie vor. Der Briefwechsel. Verlag Faber & Faber, Leipzig, 160 Seiten, 22,00 Euro, ISBN 978-3-86730-135-0

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