Berliner Grips Theater wird 50

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Deutschland,

Wie kann man Kinder vom Smartphone ablenken? Und erlebt der Nachwuchs heute noch genug Abenteuer? Das Berliner Grips hat vor 50 Jahren das Jugendtheater verändert. Was denken die Theatermacher übers Aufwachsen heute?

Volker Ludwig ist der Gründer des Kinder- und Jugendtheaters Grips. Foto: Theresa Kottas-Heldenberg
Volker Ludwig ist der Gründer des Kinder- und Jugendtheaters Grips. Foto: Theresa Kottas-Heldenberg - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Wenn einer oft überlegt hat, welche Sorgen Kinder haben, dann ist es Volker Ludwig.

Der Schöpfer des U-Bahn-Musicals «Linie 1» hat vor 50 Jahren das Berliner Grips Theater gegründet.

Damals gaben ihm Kinder Ratschläge, worüber er schreiben soll. «Für uns waren die Kinder eine unterdrückte Klasse», sagt Ludwig heute, «und wir stellten uns also an die Seite dieser Klasse.»

Das Theater erzählte damals von fehlenden Spielplätzen, autoritären Vätern, putzsüchtigen Müttern. Mittlerweile geht es um Fernsehverbot, Cybermobbing, Radikalisierung. Aus Sicht von Ludwig hat sich einiges verändert: «Es gibt sehr, sehr viele Kinder, die überhaupt nicht mehr ins Freie kommen. Die viel mehr Arbeit haben als ein Erwachsener.»

Kinder hätten heute nach der Schule «immer noch Tausend Sachen zu tun», sagt Ludwig. «Von Badminton über Klavierspielen über Ballett oder sonst was». Gerade in der Mittelschicht sei das so. Viele Erwachsene in Deutschland kennen das Grips, weil sie selbst mal dort waren. Oder weil sie die Schallplatten gehört haben.

Das Theater liegt im Berliner Westen am U-Bahnhof Hansaplatz, zwischen Dönerladen und Spätkauf. Nicht nur Touristen landen dort, um sich die «Linie 1» anzuschauen, sondern auch Schüler an Wandertagen und Klassenfahrten. Heute alles normal. Aber in den Anfangsjahren bekam das linke Theater ordentlich Gegenwind.

«Wie wir anfingen '69, wurden wir erstmal von allen verrissen, weil es eine neue Art von Kindertheater war», sagt Ludwig. Damals habe man nur Märchen «mit sentimentalen Geschichten» gekannt. Das Grips dagegen erzählte Alltagsgeschichten, auch mit politischem Anspruch. Aus Sicht des Deutschen Bühnenvereins war das Pionierarbeit. «Sie haben Theatergeschichte geschrieben», sagt der Geschäftsführende Direktor Marc Grandmontagne.

Im West-Berlin der 1970er aber sahen das nicht alle so. In CDU-geführten Bezirken hätten Lehrer das Theater mit Schülern nicht besuchen dürfen, sagt Ludwig. Ihnen sei vorgeworfen worden, Kontakte zu kommunistischen Kreisen zu haben und Kinder gegen Staat und Eltern aufzuhetzen. Das Ganze habe aber auch viel PR bedeutet, sagt der 81-Jährige. Die Vorstellungen seien danach jedenfalls voll gewesen.

Viele Stücke wurden auch in anderen Theatern nachgespielt. Seit mehr als 30 Jahren bringt die «Linie 1» Besucher. Die U-Bahn wird dort zum Mikrokosmos. Zwischen Bahnhof Zoo und Kreuzberg trifft man in dem Musical auf Punks und die Wilmersdorfer Witwen («Wir sind die Diademe der Reichshauptstadt Berlin»). Sogar in Südkorea lief «Linie 1».

Am Dienstag (11. Juni) feiert das Grips nun Jubiläum mit einem Festakt. Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) soll kommen. Zu den Festwochen sind Theatergruppen aus Griechenland, Südkorea und Indien zu Gast. Das Grips arbeitet an neuen Stücken, etwa mit Künstlern aus Uganda («Ankommen is WLAN»). Und auch ein neues Stück zum Klimawandel ist im Gespräch.

Aus Sicht von Theaterleiter Philipp Harpain beschäftigen sich Kinder heute oft mit ähnlichen Fragen wie früher. Freundschaft, Zukunft, Familie. «Was neu dazu gekommen ist, ist die ganze virtuelle Welt», sagt er. Bei der Recherche zu einem Stück sei der Satz hängen geblieben: «Wir gehen nicht ins Internet rein, sondern ins Internet raus.» Das sei praktisch eine Welt, in der man sich aufhalte.

Theatergründer Ludwig findet, dass Kinder auch Ungeordnetes brauchen. Sie hätten nach dem Krieg verbotener Weise in den Trümmern gespielt. «Das war ein solches Abenteuer», sagt Ludwig. «Da war ganz viel wilde Gegend.» Heute sei das nicht mehr so. Man brauche Abenteuer, um die Fantasie anzuregen. Das will das Grips auch mit seinen realistischen, aufklärerischen Stücken.

Ludwig wird nach eigenen Worten oft gefragt, ob die Sehgewohnheiten anders sind. Heute, in Zeiten des Smartphones und der schnellen Schnitte. «Das ist schon so», sagt Ludwig. Aber umso faszinierter seien Kinder davon, dass lebendige Menschen auf der Bühne stünden. Wenn es zu langweilig werde, fingen sie aber an zu reden. Oder gingen wieder an ihre Handys. «Dann sieht man auf einmal lauter helle Gesichter.»

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