Das «Pilotprojekt Tagesschule» wird an der kommenden Sitzung des Stadtparlaments thematisiert. Christina Rüdiger (SVP) äussert sich gegenüber Nau.ch kritisch.
Wil
Christina Rüdiger ist Mitglied der SVP und im Stadtparlament von Wil tätig. - zVg
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Im Stadtparlament in Wil steht am 29. September 2022 die Motion Dora Luginbühl (SP) «Pilotprojekt Tagesschule» zur Diskussion.

Das Thema bewegt Wil schon länger: Bereits 2016 reichte Adrian Bachmann (FDP) einen Vorstoss zum Thema ein.

Für einen endgültigen Entscheid und die Umsetzung fehlte jedoch die passende Grundlage. Diese soll nun dank dem Pilotprojekt einer Tagesschule in Wil entstehen.

Nau.ch hat bereits mit Anja Bernet (SP) über das Geschäft gesprochen. Nun äussert sich Christina Rüdiger (SVP).

Nau.ch: Das Thema einer Tagesschule beschäftigt Wil schon länger. Inwiefern sind Sie überzeugt, und worin sehen Sie die Vor- und Nachteile des Projekts?

Christina Rüdiger: Ich bin von diesem Projekt nicht überzeugt, in erster Linie aus staatspolitischen und pädagogischen Gründen.

Ich bin der Meinung, dass wir nicht immer mehr Verantwortung an den Staat abgeben dürfen, sondern möglichst eigenverantwortlich handeln sollten.

Wenn uns der Staat betreut, will er auch die Kontrolle. Dieser Trend ist gefährlich und gefällt mir nicht.

Für die Kinder ist die enge Bindung zu den Eltern wichtig. Wenn der Staat unsere Kinder immer früher und immer länger betreut, wird der staatliche Einfluss auf die Kinder immer intensiver, und der Einfluss der Eltern nimmt logischerweise ab. Das tut den Kindern meiner Meinung nach nicht gut.

Wie stehen Sie zum Geschäft?

Nau.ch: Ein solches Vorhaben ist stets mit finanziellem Aufwand verbunden. Wie soll das Projekt finanziert werden?

Christina Rüdiger: Diese Frage ist zentral. Sie sprechen hier einen sehr entscheidenden weiteren Nachteil der Tagesschule an.

Die Kosten für eine Tagesschule können noch gar nicht beziffert werden. Es ist aber sicher, dass sie sehr hoch sein werden. Das zeigt das Beispiel Zürich.

Klar ist ausserdem, dass es daneben auch noch Tagesstrukturen geben muss, da eine Tagesschule nicht einzelne Module wie Mittagstisch anbietet, sondern man muss sein Kind von morgens 8 Uhr bis nachmittags 16 Uhr abgeben.

Da der Standort sicher nicht für alle Quartiere erreichbar sein wird, müssen viele Eltern ihr Kind morgens mit dem Auto bringen und nachmittags wieder abholen. Ein grosser Aufwand und ökologisch unvernünftig.

Nau.ch: Mit dem Pilotprojekt könnte Wil eine Vorreiterrolle in der Ostschweiz einnehmen. Wann sollte dieses Projekt frühestens umgesetzt werden?

Christina Rüdiger: Für die Ostschweiz wäre es die erste Tagesschule. Das stimmt. Aber ein Pilotprojekt ist es deshalb nicht.

Es gibt viele Erfahrungen mit Tagesschulen, nicht zuletzt auch im Ausland. Und diese Erfahrungen sind nicht überzeugend.

So zeigt eine aktuelle Studie des Schweizerischen Nationalfonds, dass die schulischen Leistungen praktisch nicht verbessert werden konnten durch den Besuch einer Tagesschule.

Und es hat auch nicht zu einer besseren Integration geführt. Im Gegenteil – man weiss, dass es ein Nährboden für Mobbing sein kann, wenn Kinder über einen so langen Zeitraum wie acht Stunden immer zusammen sind und nicht zwischendrin mal in ein anderes soziales Umfeld ausweichen können.

Zur Person

Christina Rüdiger ist seit mehr als dreissig Jahren Lehrerin für Deutsch und Psychologie an einem Gymnasium.

Sie ist Mitglied der SVP, sitzt im Wiler Stadtparlament und ist seit 2021 auch Teil der Bildungskommission seit 2021.

In ihrer Freizeit liest sie gerne, widmet sich der Gartenarbeit, geht wandern oder kocht.

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