Es braucht Lösungen für die Kostenspirale im Gesundheitswesen. Die Abschaffung des Krankenkassen-Obligatorium ist jedoch nicht die Richtige. Ein Gastbeitrag.
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Andrea de Meuron (Grüne) ist Grossrätin im Kanton Bern. - zVg
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Das Wichtigste in Kürze

  • Wir müssen schauen, dass unser «krankes» Gesundheitswesen wieder gesunden kann.
  • Der falsche Weg wäre es jedoch die obligatorische Krankenversicherung abzuschaffen.
  • Ein Gastbeitrag von Andrea de Meuron, Berner Grossrätin für die Grünen.

Vielleicht tönt das jetzt zu plakativ, aber es ist wohl so: Unser Gesundheitswesen ist krank. Nur schon die Tatsache, dass sich eine Familie des Mittelstandes die Krankenkassen-Prämien kaum mehr leisten kann, ist ein deutliches Indiz dafür.

Viele stimmen dieser Einschätzung zu, und deshalb sollte es jetzt zu einem Wettbewerb der Ideen und Vorschläge kommen, damit unser Gesundheitswesen gesunden kann.

Einen radikalen Gedanken brachte die Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli in einem Interview ein: «Meiner Meinung nach sollte sogar eine Abschaffung der obligatorischen Krankenversicherung in Betracht gezogen werden.» Und weiter: «Eine Grundversicherung sollte in erster Linie für die Geringverdiener da sein.»

Die Zürcher Regierungsrätin greift damit direkt eine zentrale Errungenschaft unseres Gesundheitssystems an: die solidarische Krankenkassen-Grundversicherung. Das ist der falsche Weg und abzulehnen. Beispiele aus anderen Ländern zeigen, was passiert, wenn es keine solidarische Grundversicherung mehr gibt: Es entsteht eine Zweiklassen-Medizin und damit eine Zweiklassen-Gesellschaft.

Sind Sie der Meinung, dass das Krankenkassen-Obligatorium bestehen bleiben muss?

Das wird über kurz oder lang bedeuten, dass hochwertige medizinische Leistungen nur noch hohen Einkommen vorbehalten sein werden. Ich denke, wir müssen uns dafür einsetzen, dass diese Errungenschaft der obligatorischen und solidarischen Krankenkassenversicherung erhalten bleibt. Doch eine Reformierung ist unbedingt angezeigt!

Haben ein Finanzierungsproblem

Natürlich gibt es viele Möglichkeiten, um die Belastung der Gesundheits-Institutionen und damit Kosten zu senken. Oft handelt es sich dabei eher um «Pflästerli»-Politik, die kleine Effekte haben. Und grundsätzlich haben wir primär nicht ein Kosten- sondern ein Finanzierungsproblem. Ich sehe zwei wichtigere Hebel:

Mit einer Revision des Krankenversicherungsgesetzes können wir die Spitalfinanzierung wirkungsvoller und kostendämmender gestalten. Ein Spital hat zum Beispiel wenig Interesse daran, ambulante statt stationäre Leistungen zu erbringen, weil sie unterfinanziert sind – und genau diese ambulanten Leistungen wären günstiger zu erbringen.

Weiter setzen die Fallkosten-Pauschalen (Swiss DRG) falsche Anreize und sind reformbedürftig oder gar abzuschaffen. Diese grundlegend falschen Mechanismen der Spitalfinanzierung müssen wir unbedingt verbessern.

Die Kantone nehmen ihre Verantwortung nicht genügend wahr und schöpfen die gesetzlich vorgesehenen und möglichen Prämienverbilligungen gar nicht aus. Im Kanton Bern zum Beispiel ist es gesetzlich möglich, zwischen 25 Prozent bis 45 Prozent der Familien Prämienverbilligungen zu gewähren. Mit der aktuellen Regelung erreicht man 28 Prozent. Da gibt es noch allerhand Luft nach oben.

Ja, wir stehen der Kostenspirale im Gesundheitswesen nicht wehrlos gegenüber. Aber wir dürfen den Gedanken der Solidarität nicht aufgeben und eine Revision des eidgenössischen Krankenversicherungsgesetztes anstreben, die eine finanzierbare Gesundheitsversorgung und den Menschen im Fokus hat!

Zur Autorin: Andrea de Meuron sitzt für die Grünen im Grossrat des Kanton Bern und ist Gemeinderätin der Stadt Thun.

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