Ob Lastwagenchauffeur, Schichtarbeiter, Jugendliche nach dem Ausgang oder Frühaufsteher: In Jenny's Dorfladen werden sie alle fündig. Und das schon ab 1.30 Uhr.
Hubert Priska Jenny Jenny's Dorfladen
Priska und Hubert Jenny von Jenny's Dorfladen. - Nau.ch / Ueli Hiltpold
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Als ich kurz nach 2 Uhr morgens bei Jenny’s Dorfladen im freiburgischen St. Ursen ankomme, läuft die Sandwichproduktion schon auf Hochtouren. Wie an jeden anderen Wochentag ist Hubert Jenny (62) schon seit einer Stunde auf den Beinen und ist mit der Zubereitung von Sandwiches, Nuss-, Mandel- und Schokogipfeln, Weggli und viele anderen Köstlichkeiten beschäftigt.

Hubert Jenny Jenny's Dorfladen
Hubert Jenny bereitet Thonsandwiches vor. - Nau.ch / Ueli Hiltpold

Eigentlich der ganz normale Alltag, würde man jetzt meinen. Wie in so vielen anderen Dorfläden irgendwo in der Schweiz. Nicht ganz. Denn Jenny’s Dorfladen ist unter der Woche und am Samstag seit 25 Jahren ab 1.30 Uhr offen. «Lastwagenchauffeure, Schichtarbeiter, Jugendliche nach dem Ausgang und Frühaufsteher schätzen es sehr, dass ich schon so früh geöffnet habe» sagt Hubert zu mir «das geht aber nur, weil meine Frau immer mitgezogen hat» und macht mit dem Einpacken der Sandwiches weiter.

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Aus der Backstube in den Dorfladen

Eigentlich hat Hubert Jenny eine Bäckerlehre gemacht. Sein Vater war schon Bäcker in St. Ursen und seine Mutter hat den Laden «geschmissen». Als bei Hubert Jenny Bäckerasthma festgestellt wurde und da sein Vater sehr früh starb, haben seine Frau Priska und er vor gut 35 Jahren das Geschäft seiner Eltern übernommen.

Es ist 02:14 Uhr als unser Gespräch von der Türglocke unterbrochen wird. Wie immer vor der Tour, kauft Lastwagenchauffeur Markus Rytz Proviant für seinen Arbeitstag. «Jetzt fahre ich nach Lyss. Lade das Leergut ab und belade dann meinen Lastwagen. Dann geht’s weiter in Richtung Ostschweiz».

Jenny's Dorfladen Klemens Hygienemasken
Lastwagenchauffeur Klemens braucht noch Hygienemasken. - Nau.ch / Ueli Hiltpold

Kurz darauf kommt mit Klemens der nächste Lastwagenchauffeur, kauft Hygienemasken, etwas zu trinken und ist schon wieder weg. Auch wenn Hubert für Jede und Jeden um diese Zeit schon ein freundliches Wort bereit hat «Manchmal ist es halt eine kurze Begegnung und es muss rasch gehen. Wie letzte Woche als sich eine Frau um 3 Uhr morgens mit einem Taxi hierhin fahren liess, um Sandwiches zu kaufen.»

Von der Stecknadel bis zur Seisler Pasta findet man bei Jenny's fast alles

Der Dorfladen bietet von der Stecknadel über das Waschmittel bis zur Seisler Pasta fast alles an. Auch viele regionale Produkte aus dem Dorf und der näheren Umgebung. «Ganz frische Freilandeier hole ich zum Beispiel 2- bis 3-mal in der Woche beim benachbarten Bauer» sagt Hubert. Viele seiner Lieferanten bezahlt er seit 20 Jahren Cash «das baut Vertrauen auf».

«Du bist ein kundenfreundlicher und unermüdlicher Chrampfer» unterbricht Bernmobil Tramchauffeur Jürg Koller gegen 4 Uhr unser Gespräch. Langsam, aber sicher herrscht jetzt Hochbetrieb. Nicht nur jene, deren Schicht so früh beginnt, kommen jetzt. Bäcker Waeber aus St. Ursen bringt das frische Brot, Sprinterchauffeur Reichen die Tageszeitungen und hinter dem Dorfladen werden frisches Gemüse, frische Früchte und Milchprodukte abgeladen.

Jenny's Dorfladen Hubert
Znünipause-Lieferservice - alles wird sicher in Harassen gepackt und ins Fahrzeug geladen. - Nau.ch / Ueli Hiltpold

Unterdessen beginnt Hubert mit dem Bereitstellen der Produkte für den «Znünipause-Lieferservice» an Firmen und Schulen. «Wir machen auch Lieferservice für Private, die Ihren Einkauf per Telefon tätigen, für Gemeindeapéros, für Veranstaltungen jeglicher Art und bereiten sogar ganze Caterings vor».

Fest verwurzelt in der Region

Um halb 6 kommt nun auch Huberts Frau Priska runter ins Geschäft. Die beiden sind seit mehr als 37 Jahren verheiratet. Priska Jenny (60) arbeitete zuerst bei der Post in Bern und für sie war klar, als es zur Übernahme des Geschäfts kam «dass ich mitziehe.

Priska Jenny Jenny's Dorfladen
Priska Jenny. - Nau.ch / Ueli Hiltpold

Es war, ist und bleibt schön.» Wie fest die beiden mit ihren Kunden verbunden sind, zeigt sich auch darin, dass sie ihre Kunden mit dem Vornamen begrüssen und wenn einmal jemand «etwas Apartiges möchte, bestellen wir es».

In drei Jahren soll für Jennys die Pension beginnen

Nicht nur die St. Ursener, sondern fast alle Vereine, viele Betriebe und die Gemeinde gehören zur Kundschaft der Jennys. Aber in 3 Jahren wollen sie kürzertreten und mit dem Dorfladen aufhören. «Wir sind froh, auch wenn wir die Geschäftigkeit schon jetzt vermissen.»

Grosse Sorge bereitet die Nachfolge. Der Dorfladen ist das einzige Geschäft dieser Art in St. Ursen und irgendwie bräuchte doch jedes Dorf so etwas wie einen Dorfladen. «Wir haben noch keine Nachfolge gefunden. Unsere Kinder wollen das Geschäft nicht übernehmen.»

Als ich kurz nach 7 Uhr von St. Ursen wegfahre geht ein ganz normaler Morgen in Jenny’s Dorfladen weiter und wird erst um 18:30 mit der Schliessung des Ladens enden.

Anmerkung der Redaktion: Alle Personen haben eine Maske getragen. Für einige Aufnahmen wurden diese kurzzeitig abgesetzt.

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