In der Schweiz gibt es so viele Volksabstimmungen wie sonst nirgends weltweit. Somit besteht bezüglich Partizipation kein Handlungsbedarf, oder? Ein Gastbeitrag
Fabian Collenberg
Fabian Collenberg (Mitte) - zVg
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Schweiz ist Weltmeister in Sachen Abstimmungen.
  • Dennoch könnte man mehr tun, um die politische Partizipation des Volkes zu verbessern.
  • Dies findet der Bündner Mitte-Politiker Fabian Collenberg in seinem Gastbeitrag.

Mit den Abstimmungen haben die Stimmberechtigten die Möglichkeit zu partizipieren und die Schweiz mitzugestalten. Beachtet man jedoch die Stimmbeteiligung an den Abstimmungen stellt sich die Frage, ob nicht andere Partizipationsmöglichkeiten angeboten werden sollten, um die Bevölkerung bei der Gestaltung des Staates, der Kantone und Gemeinden einzubeziehen.

Bundesvorlagen und kantonale Vorlagen sind oft kompliziert und die Umsetzung der Initiativen unvorhersehbar beziehungsweise eine Blackbox. Es kommt manchmal vor, als ob man die Katze im Sack kauft beim Zustimmen einer Abstimmungsvorlage. Ein gutes Beispiel dafür ist die Abstimmung des Bundesgesetzes über die Raumplanung über welche die Stimmbevölkerung am 3. März 2013 abgestimmt hat.

Mangelnde Information führt manchmal zu Fehlern

Im Kanton Graubünden wurde diese Änderung mit 61,5 Prozent angenommen. Die Folgen dieser Abstimmung spüren heute viele Gemeinden und Personen im Kanton. Eine Folge ist nämlich die unnötige Auszonung von Bauland.

Wären die Bündner den Auswirkungen bewusst gewesen, hätte der Kanton dieser Vorlage sicherlich nicht zugestimmt.

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Abstimmung. (Symbolbild) - Pexels

Solche Abstimmungen haben zu einem Misstrauen gegenüber der Politik geführt. So hört man immer wieder: «Die in Bern machen sowieso, was sie wollen». Die Fragestellungen bei kommunalen Abstimmungen sind demgegenüber oft einfacher und fassbarer. Obwohl die Gemeinde näher ist als der Kanton und der Bund, ist die Partizipation an Gemeindeversammlungen oft sehr bescheiden.

Auf Kommunalebene gibt es viel zu bewegen

Dies ist schade, da Gemeindepolitik sehr interessant ist. Motivierte Personen können auf kommunaler Ebene viel bewegen. Die Teilnehmerzahl an Gemeindeversammlungen führt daher immer wieder zur Frage, ob nicht das Gemeindeparlament das bessere Organ der Legislative ist als die Gemeindeversammlung. Im Kanton Graubünden gibt es einige Gemeinden, welche über ein Gemeindeparlament verfügen.

In der Tendenz werden diese jedoch, vor allem in kleinen Gemeinden, aufgelöst und durch die Gemeindeversammlung ersetzt. Ein Grund dafür ist oft die Schwierigkeit genügend Parlamentarier zu finden. Ein Nachteil vom Parlament gegenüber der Gemeindeversammlung ist, dass die Partizipation auf wenige Parlamentarier beschränkt wird.

gemeindeversammlung
Gemeindeversammlung. (Symbolbild) - Nau.ch / Simone Imhof

Es gibt nicht ein richtiges oder falsches Modell. Schlussendlich müssen alle Gemeinden für sich entscheiden, welches Modell das bessere ist. Dies ist gelebte Gemeindeautonomie und soll auch so bleiben.

Neue Partizipationsformen

Aufgrund der Stimmbeteiligung an Abstimmungen oder Partizipation an Gemeindeversammlungen stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten bestehen, die Bevölkerung bei der Gestaltung der Gemeinden mit einzubeziehen. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass die Bevölkerung mitbestimmen möchte. Mitbestimmen liegt in der DNA der Schweiz.

Kürzlich hat der Gemeindevorstand der Gemeinde Sumvitg ein Strategieverfahren eingeleitet. Es war ein Anliegen des Gemeindevorstandes, die Ideen und Bedürfnisse der Bevölkerung als Basis für die Festlegung von Massnahmen der verschiedenen Handlungsfelder abzuholen. Aus diesem Grund lud der Gemeindevorstand alle Stimmberechtigten zu einem Workshop ein.

Interaktive Workshops können Bürgerinnen und Bürger besser mit einbinden

Rund 80 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger folgten der Einladung. In einem Vormittag konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Gruppen zu gewünschten Themen Ideen erarbeiten. Diese Ideen wurden anschliessend dem Gemeindevorstand vorgestellt. Es war eine Freude, die angeregten Diskussionen zu verfolgen.

Innerhalb von zwei Stunden erarbeiteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von in der Umsetzung einfachen Ideen, wie beispielsweise einen Online-Veranstaltungskalender, bis zu grösseren Visionen wie eine Seilbahn nach S. Benedetg.

Glauben Sie auch, dass es neue, bessere Formen der politischen Teilhabe geben sollte?

Der Workshop zeigte eindeutig, dass die Bevölkerung gewillt ist zu partizipieren. Der Workshop zeigte jedoch auch, dass zu den traditionellen Abstimmungen und Gemeindeversammlungen andere Partizipationsformen durchaus hilfreich sein können, um die Partizipation zu steigern und das Vertrauen zu fördern. Auf Gemeindeebene ist die Einbeziehung der Bevölkerung sicherlich einfacher als auf Stufe Kanton oder Bund.

Gemeinden sollten mehr für sich selbst entscheiden

Deshalb ist die Gemeindeautonomie sehr wichtig. Die Gemeinden sollen nicht nur Ausführungsbehörden des Kantons und des Bundes sein, sondern eigenständig darüber entscheiden, was auf ihrem Gebiet passieren soll. Leider sind die Gemeinden heute vermehrt mit der Umsetzung von übergeordneten Gesetzgebungen beschäftigt.

Es fehlt somit die Zeit für die Weiterentwicklung der Gemeinden. Mit anderen Worten – die Gemeindeautonomie stärkt die Partizipation und somit unsere DNA!

Zum Autor: Fabian Collenberg ist seit August 2022 Mitglied des Grossen Rates von Graubünden. Dort repräsentiert er Die Mitte.

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