Der bekannte Alt-SP-Nationalrat und Politologe sucht für sein «Atelier pour la démocratie directe» ein neues Zuhause. Der Fortbestand ist infrage gestellt.
Andi Gross
Andi Gross im Nationalrat - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Alt-SP-Nationalrat Andi Gross sucht ein neues Zuhause für seine 25'000 Bücher.
  • Der Fortbestand des «Atelier pour la démocratie directe» ist gefährdet.
  • Gross hofft auf Unterstützung für sein Demokratie-Zentrum.

Er gilt fast schon als Papst der direkten Demokratie. Diese ist für ihn im Laufe seiner Tätigkeit als Politiker, Wissenschaftler und Dozent zu einer wahren Leidenschaft, ja zu einer «Herzensangelegenheit» geworden.

So hat Andreas «Andi» Gross, der langjährige SP-Nationalrat, Europarats-Abgeordnete, Mitbegründer der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSOA) und Politologe, im jurassischen Saint-Ursanne unter dem Namen «Atelier pour la démocratie directe» eine wahre Institution auf die Beine gestellt.

Diese braucht sich jedenfalls mit ihren insgesamt 25'000 Büchern vor einem universitären Institut nicht zu verstecken.

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Wohin mit dem vielen Papier in der heutigen digitalen Welt? - OnlineReports

Ein Monument für die Nachwelt, der Schweiz und ihrer Staatsform angemessen – müsste man meinen. Doch der Fortbestand des Ateliers ist mittlerweile ernsthaft infrage gestellt. Nicht etwa, weil der 70-Jährige das Interesse daran verloren hätte, sondern weil dieses heimatlos zu werden droht.

Zwar spricht der frühere Nationalrat nicht gerne über die Gründe, möchte eigentlich auch kein grosses Tamtam darum machen, weil es doch sehr privat ist. Tatsache aber ist, dass ihm wegen eines Erbschaftsstreits der Verlust seines Hauses und damit der Räumlichkeiten droht, in denen das Demokratie-Atelier untergebracht ist.

«Demokratie ist ein Gesamt-Kunstwerk»

Wohin also mit 25'000 Büchern, und was damit machen? Diese Frage beschäftigt Gross derzeit mehr, als ihm lieb ist. «Ein Verkauf kommt kaum infrage. Welche Person würde das alles wollen?», fragt er rhetorisch. Aber auch eine Zerstückelung kann er sich nicht vorstellen. Die Sammlung mache eigentlich nur als Ganzes Sinn.

Das private Institut auf drei Stockwerken in Gross' Haus im Städtchen St. Ursanne kam stets ohne jegliche öffentliche Gelder aus, wie seinerzeit dem Aargauer SVP-Nationalrat Lieni Füglister auf entsprechende Anfrage im Bundesparlament beschieden wurde.

Es umfasst verschiedene Themenbereiche: Ein grosser historischer Teil enthält rund 150 Biografien und zahlreiche Werke über die Geschichte der Schweiz und Europas. Ein weiterer Teil befasst sich mit den Themen Soziologie und Philosophie der Demokratie von 1900 bis heute.

Gross' Haus
Bisher ging es auch ohne öffentliche Gelder: Das Gross' Haus in St. Ursanne. - OnlineReports

Alles ist auf dem neuesten Stand der Diskussion. Eigentlich sind alle Elemente, die eine Demokratie ausmachen, im Atelier vertreten. Und davon gibt es viele; «denn Demokratie ist ein Gesamt-Kunstwerk in Form eines Mosaiks aus mindestens 150 Steinchen», sagt Andi Gross. Nicht zu vergessen schliesslich die 600 Bände zur Utopie.

Mit erheblichen Investitionen verbunden

Welches Schicksal wünscht sich der Gründer aber für sein Atelier, oder anders gefragt: Welche Hoffnungen hegt er? Der Traum oder vielleicht auch die konkrete Utopie von Andi Gross ist ein Haus oder Zentrum der Demokratie, ein Studienort für Demokratie, deren Formen, Richtungen und Krisen. Ein Ort, der zudem öffentlich zugänglich wäre.

Als Vorbild dient dem Politologen und Historiker, der immer noch als Dozent für direkte Demokratie an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg und als Experte des Europarats tätig ist, die Basler Lesegesellschaft am Münsterplatz. Dieser 1787 gegründete «Ort der Lektüre und der Musse im Herzen der Stadt», wie er auf der Website angepriesen wird, will nach eigenen Angaben einer interessierten Bevölkerung den Zugang zur Literatur und zum zeitgenössischen Wissen erleichtern.

Interessieren Sie sich für die direkte Demokratie?

Dass ein solches Projekt mit erheblichen Investitionen verbunden wäre und gänzlich ausserhalb seiner Möglichkeiten liegt, dem ist sich Andi Gross bewusst. Immerhin kann er aber mit einer nicht unbedeutenden – sogar schriftlich vorliegenden – Referenz aufwarten: «Die Regierung des Kantons Jura hat mein Institut stets wohlwollend begleitet. Als armer Kanton konnte er dafür aber kein Geld locker machen.»

Arbeiten bis 100

Und dann hofft Gross eben auch auf Institutionen wie etwa die Christoph Merian-Stiftung, die, wie sie einst verlautbaren liess, nicht nur den Kanton Basel-Stadt, sondern eigentlich das ganze Gebiet des ehemaligen Bistums Basel im Blick habe.

Sicher wäre jedenfalls jedem «Investor» die unermüdliche Mitarbeit und Unterstützung von Atelier-Gründer Andi Gross, der nicht nur bis ins Alter von 90 Jahren arbeiten möchte, wie es einst alt Bundesrat Pascal Couchepin vorhatte, «sondern bis ich 100 bin».

Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal OnlineReports.ch publiziert. Per 1. Juli haben Alessandra Paone und Jan Amsler übernommen.

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