Berner Stadtpräsident entschuldigt sich für «base4kids2»-Debakel
Die Einführung der neuen Schulinformatik «base4kids2» hat Mehrkosten in Millionenhöhe verursacht und der Stadt Bern einen grossen Vertrauensverlust beschert.

Die politische Hauptverantwortung trage der Gemeinderat, hiess es in der anderthalbstündigen Debatte zu zwei Untersuchungsberichten. Das Parlament trage aber eine Mitschuld, indem es auf eine Open-Source-Lösung gedrängt habe.
Bildungsdirektorin Franziska Teuscher (Grünes Bündnis) versprach, man wolle die Lehren aus dem Debakel ziehen. Stadtpräsident Alec von Graffenried (Grüne Freie Liste) bedauerte, dass die missratene Einführung schwerwiegende Auswirkungen auf den Unterricht gehabt habe. «Das tut uns leid, das wollten wir nicht. Dafür möchte ich um Entschuldigung bitten.»
Für «base4kids2» sprach das Volk 2018 insgesamt 24 Millionen Franken. Die Stadt wollte eine schweizweit einmalige Schulplattform entwickeln. Doch die Realität des angeblichen «Leuchtturmprojekts» sah anders aus.
Was ging schief
Drucken war schier unmöglich, Geräte stellten von alleine ab, Dokumente waren mitunter kaum zu bearbeiten. Lehrkräfte kritisierten, ein vernünftiger Unterricht sei nicht möglich.
Ein Nachkredit von 2,7 Millionen Franken wurde nötig. Unter anderem wurden zusätzliche Stellen in der Verwaltung geschaffen. Vor allem aber wurde die Open-Source-Software durch Microsoft Office ersetzt. Mittlerweile soll das Projekt auf Kurs sein.
Ein externer Gutachter kam im Wesentlichen zu denselben Schlüssen wie die Aufsichtskommission des Stadtrats. Zum Debakel kam es demnach vor allem, weil es an personellen Ressourcen und an Fachkenntnissen mangelte. Dass der externe Informatikanbieter faktisch die Projektleitung übernommen habe, sei ebenfalls ein schwerer Fehler gewesen.
Viele Schulkinder und Lehrpersonen sind betroffen
Das Debakel kenne viele Betroffene, sagte Marianne Schild namens der Grünliberalen – rund 10'000 Schulkinder sowie 1400 Lehrpersonen. Entsprechend schwer wiege der Vertrauensverlust, betonte auch Bettina Stüssi (SP). Das könne sich die Stadt eigentlich nicht leisten. Der Gemeinderat müsse sich schleunigst darum kümmern, Vertrauen zurückzugewinnen.
Claudine Esseiva (FDP) sprach von Fehlern, die in der Privatwirtschaft ein Kündigungsgrund wären. Auch sie gehörte zu den Fraktionssprecherinnen, die den Gemeinderat aufforderten, endlich Verantwortung zu übernehmen, anstatt die Probleme kleinzureden.
Ähnlich sah es Thomas Glauser (SVP). Informatikprojekte seien anspruchsvoll, Führung unabdingbar.
Die Stadt müsse künftig das Machbare vor Augen haben und einen gewissen Pragmatismus walten lassen, forderte Francesca Chukwunyere von der GFL/EVP-Fraktion. Dabei sei auch das Parlament gefordert. Schliesslich habe der Stadtrat mit seinen Extrawünschen die Komplexität des Projekts noch erhöht.
Verständnis für den Gemeinderat
Das Parlament sei gut beraten, in solchen Fragen künftig auf ideologische Entscheidungen zu verzichten, betonte auch Milena Daphinoff (Mitte) in Anspielung auf die seinerzeitige Open-Source-Forderung.
Verständnis für den Gemeinderat äusserte Sarah Rubin (Grünes Bündnis), eine Parteikollegin von Bildungsdirektorin Teuscher. Der Nachkredit sei nicht in den Sand gesetztes Geld. Vielmehr habe er dem Projekt die nötige Stabilität verliehen.
Gemeinderätin Teuscher räumte ein, dass die mangelhafte Einführung von «base4kids2» zu grossem Unmut und Verunsicherung in den Schulen geführt habe. Sie bedaure den Vertrauensverlust insbesondere in ihre Bildungsdirektion. Um Vertrauen zurückzugewinnen, reiche die Neustrukturierung des Projekts nicht aus.
Vielmehr brauche es künftig einen engen Einbezug der Anwender sowie eine sach- und stufengerechte Kommunikation. Teuscher betonte, man werde die Lehren ziehen für die Weiterentwicklung des bildungs- und digitalpolitisch wichtigen Schulplattform.